Ufer von Morgen
geworfen werden. Es geht nicht darum, daß ein paar Leute in einem Schiff sterben. Es geht um Millionen.«
Ein Zivilist sah General Hagopian an.
»Er hat recht«, sagte der General mit erstickter Stimme.
»Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte der Zivilist mit bleichem Gesicht.
»Nur ein paar Minuten«, sagte Stanley kalt. Er sah auf seine Uhr. »Mehr nicht.«
»Wieso haben Sie uns nicht früher angerufen?«
»Ich habe angerufen, sobald ich es wußte«, sagte Stanley. »Es hat einige Zeit gedauert, sie alle zu versammeln. Es brauchte etwas Zeit, um zu berechnen, was geschehen würde.«
Er sah auf dem Bildschirm, wie im Hintergrund die beiden Zivilisten in eine hitzige Debatte verwickelt waren.
»Können wir eine Evakuierung in die Wege leiten?« fragte der dritte Zivilist.
»In fünf, sechs Minuten? Seien Sie nicht albern.« Stanley war jetzt im Gegensatz zu den fünf Männern anscheinend ganz ruhig.
Der Zivilist sah ihn verärgert an, sagte aber nichts.
»Was schlagen Sie vor, General?« fragte Hagopian.
»Es bleibt nur eins zu tun«, erwiderte Stanley unbewegt. »Wir müssen eine Rakete mit einem atomaren Sprengkopf hinaufschicken und das Schiff zerstören, bevor es einschlägt.«
Man schwieg verblüfft. Stanley zählte bis fünf, bevor jemand den Mund aufmachte. Vor diesem Augenblick hatte er sich gefürchtet, vor diesem fürchterlichen Augenblick, in dem er den höchsten Offizieren die einzig mögliche Antwort geben mußte, was mit der Queen zu tun war. Die Reaktion war wie erwartet.
Der Zivilist sagte: »Sind Sie wahnsinnig? Hundertachtzig unschuldige Leute auszulöschen? Es muß eine andere Lösung geben.«
»Es gibt aber keine andere«, sagte Stanley ausdruckslos. »Das ist absolut sicher. Es bleibt nur diese eine.«
»Aber wir können das nicht erlauben«, protestierte der Zivilist. »Das wäre Mord.«
»Mord? Wenn man Menschen tötet, die schon dem Untergang geweiht sind? Ist es Mord, dafür zwanzig Millionen Menschen das Leben zu retten? Verzeihen Sie, daß ich melodramatisch werde, aber mir schmeckt der Gedanke auch nicht besser als Ihnen. Es fiel mir schwer, mich davon zu überzeugen, daß es keine andere Möglichkeit gibt.«
»Es muß sie aber geben!« rief der Zivilist verzweifelt. »Sie schicken sofort ein Rettungsschiff hinauf! Hagopian, befehlen Sie ihm, ein Rettungsschiff –«
Stanley preßte die Zähne zusammen. Dann unterbrach er den Zivilisten und sagte: »Hören Sie mal, Sie Dummkopf, Sie begreifen wohl nicht, daß es unmöglich ist, ein Rettungsschiff hinaufzuschicken? Sie verstehen doch, daß ich nicht zaubern kann? Man kann die Martian Queen ebenso wenig retten, wie man sie mit nackten Händen auffangen kann.«
»So können Sie mit mir nicht reden, General!«
Stanley warf einen Blick auf Hagopian. Der Soldat sagte nichts, aber um seine schmalen Lippen spielte die Andeutung eines schwachen Lächelns.
»Ich möchte lediglich, daß Sie begreifen«, sagte Stanley. »Sie alle. Es gibt keinen anderen Ausweg. Diese Leute müssen sterben. Es wäre besser, wenn sie sterben, ohne ein paar Millionen Menschen mit sich zu nehmen. Ist das klar?«
Stanley wartete auf eine Antwort, und sie kam auch. Ein anderer Zivilist fragte: »Können wir sie nicht irgendwie von ihrem Kurs abbringen?«
»Nicht ohne sie zu zerstören«, sagte Stanley. »Und genau dafür möchte ich die Erlaubnis haben.«
»Ich fürchte, das wird unmöglich sein, General. Die Öffentlichkeit würde nie zulassen –«
»Die verdammte Öffentlichkeit! Die Öffentlichkeit wird sterben! Kapieren Sie endlich. Zwanzig Millionen Menschen!«
»Das ist lächerlich«, sagte der dritte Zivilist. Man versuchte anscheinend hartnäckig, Stanley die Sache auszureden. »Wie könnte eine Schallwelle solchen Schaden anrichten?«
»Wie sie das könnte? Sie hat es schon einmal getan. Haben Sie schon von dem großen sibirischen Meteor gehört, der um 1908 niedergegangen ist? Der hatte nur eine Geschwindigkeit von etwa fünfzehn Kilometern pro Sekunde, war also nur halb so schnell wie die Queen, und Hunderte von Quadratkilometern von Wald wurden umgelegt. Die Bäume knickten wie Streichhölzer. Und dieses Schiff wiegt mehr und bewegt sich doppelt so schnell.«
»Es muß etwas anderes geben, das wir machen können«, sagte der erste Zivilist starrköpfig.
»Na schön«, erwiderte Stanley, »ich warte auf Ihre Vorschläge.«
»Nun…«
»Was nun? Warum verstummen Sie? Weil wir nichts anderes machen können.« Stanley warf wieder
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