Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ufer von Morgen

Ufer von Morgen

Titel: Ufer von Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
der Tod bevorstand.
    »Dir wird kein Schaden zugefügt, wenn du sofort zu deinem Schiff zurückkehrst«, ertönte die fremde Stimme.
    Andersen starrte in die Höhe. Einer der Vögel, die er in den seltsamen Bäumen gesehen hatte, war herabgeschwebt und hatte sich auf seinem Helm niedergelassen. Die Füße mit den Saugnäpfen saßen fest auf dem Kunststoffhelm. Der Vogel war von der Größe eines kleinen Huhns, war blau und hatte einen roten Kamm und glänzende Knopfaugen. Besonders fiel ihm an dem Vogel der scharfe und eindrucksvolle Schnabel auf.
    Im Augenblick hatte sich der Schnabel um Andersens linken Atemschlauch gelegt. Ein Zucken des Schnabels, und der Schlauch würde durchtrennt sein. Die Luft würde hinausschießen und die tödliche fremde Atmosphäre hereinsickern.
    Andersen hob vorsichtig den linken Arm, um den Vogel abzupflücken.
    Die fremde Stimme sagte ruhig: »Der Vogel wird deinen Atemschlauch durchbeißen, bevor du ihn entfernt haben wirst. Du wirst sofort tot sein.«
    Der Vogel hatte noch keine Anstalten gemacht, in den Schlauch zu beißen. Er saß einfach auf dem Helm und hatte den Schlauch im Schnabel.
    Andersen erstarrte. Er fürchtete jede Bewegung, weil sie den Vogel aufstören konnte.
    »Nehmt ihn fort«, sagte er heiser.
    »Der Schlauch an deinem Helm erinnert ihn an die großen grünen Würmer des flachen Landes, die Hauptnahrung des Vogels«, bemerkten die Fremden. »Der Vogel hat Hunger. Nur wir halten ihn noch vom Fressen ab.«
    Andersen lief der Schweiß so heftig über die Stirn, daß die Klimaanlage den Helm kaum noch trocken halten konnte. »Was soll ich tun?«
    »Geh langsam zu deinem Schiff.«
    »Wenn ich es nicht tue?«
    »Dann werden wir dem Vogel befehlen, den Schlauch durchzubeißen. Du siehst, du ganz allein hast die Wahl.«
    »Ihr werdet dem Vogel befehlen?«
    »Auf diesem Planeten ist alles Leben in Harmonie, Erdmensch. Deshalb brauchen wir deine Konföderation nicht. Der Vogel versteht unsere Befehle. Der Vogel ist jedoch hungrig, Erdmensch.«
    Andersen brauchte keine weiteren Hinweise. Er begann, sich vorsichtig über den flachen Boden zu bewegen, als sei das Geschöpf auf seinem Helm hochexplosiv. Er war sieben Meter von seinem Schiff entfernt. Sie kamen ihm unendlich lang vor.
    Schließlich erreichte er die offene Luke seines Schiffes. Die fremden Quälgeister sahen ihm ernst zu.
    »Na schön«, brummte Andersen. »Ich bin an meinem Schiff. Holt den Vogel herunter.«
    »Geh in das Schiff hinein.«
    »Mit dem Vogel?«
    »Der Vogel wird dich verlassen.«
    Andersen nahm verärgert den Griff in die Hand und zog sich hinauf in die Luke. Als er sich ins Schiff zurückzog, hörte er zwei laute, schmatzende Geräusche und sah den blauen Vogel in die Höhe fliegen.
    Er atmete tief ein. Der Schnabel an dem Atemschlauch hatte ihm das Gefühl gegeben, er habe eine Hand an der Gurgel.
    Der Vogel schwebte drohend ein paar Meter über dem Schiff, würde wieder landen, wenn Andersen noch einmal herauskäme. Der wußte jedoch, daß der Schnabel dann zubeißen würde, und blieb, wo er war.
    »Eure Antwort ist endgültig?« fragte er die Fremden.
    »Unser Lebensraum ist ein geschlossener Kreislauf, und unsere Wirtschaft ist stabil. Wir wünschen uns keine Kontakte.«
    Andersen nickte. Die Tür war zugefallen. Er spähte zum kreisenden Vogel hinauf. Er blickte finster zur bewegungslosen Gruppe der Fremden. Er warf einen Blick auf die ganze merkwürdige Landschaft und den gelben Himmel.
    Ein Reinfall.
    Andersen packte den Hebel, der die Luftschleuse schloß. Die Metallhülse glitt zu und verdeckte Vogel, Fremde, Landschaft und Himmel.
    Minuten später schoß das Schiff aus der chlorhaltigen Atmosphäre und zog durch den Raum.
    Andersen wußte, warum die beiden Forscher vor ihm ihren Besuch auf der kleinen Welt nicht erwähnt hatten. Offenbar waren sie so gedemütigt worden, daß sie lieber keinen Bericht verfaßten. Die Bewohner des Planeten wollten isoliert bleiben.
    Sie würden zusammenarbeiten, um eine Invasion abzuwehren. Sie hatten ihn mit Hilfe eines Vogels vertrieben, der nicht größer als ein Huhn gewesen war. Ohne Zweifel hatten sie die beiden Forscher vor ihm auf ähnlich einfallsreiche Weise verjagt. Andersen suchte sich die Szenen vorzustellen. Eine Wolke Stechmücken? Eine Horde Eidechsen? Es war egal. Die Menschheit hatte keine Hoffnung, eine Auseinandersetzung mit allen Einwohnern einer Welt für sich zu entscheiden. Menschenähnliche Wesen konnte man besiegen. Aber wenn sich

Weitere Kostenlose Bücher