Ufer von Morgen
wollen den chinesischen Vorschlag noch nicht einmal ins Auge fassen, obwohl er um siebzig Milliarden billiger ist.«
»Wird der Unterschied der Kosten Einfluß auf die Entscheidung haben?« fragte Ellen Merrill.
»Kaum. Es geht dabei nicht nur um das Geld. Reed meint, es sei besser, hundertachtzig Milliarden für etwas auszugeben, das wahrscheinlich immer Gewinn bringen wird, als hundertzehn Milliarden zum Fenster hinauszuwerfen. Doch die Chinesen behaupten, ihr Vorhaben wird bei zwei Dritteln der Kosten auch größeren Gewinn abwerfen. Und so steht die Sache, und keine Seite gibt einen Millimeter nach. Ellen, das Ganze kann hundert Jahre weiter so stillstehen.«
»Sicher ist ein Kompromiß möglich –«
Er schüttelte den Kopf. »Ein echter Kompromiß ist nicht möglich. Man kann nicht die eine Hälfte einer Welt terraformieren und die andere mit pantropisch veränderten Menschen besäen.«
»Was ist mit dem anderen Plan, Dane?«
»Dem skandinavisch-indonesischen Vorschlag?« Merrill zuckte die Achseln. »Das ist kein Plan, das ist eine Ausflucht. Die möchten Kuppeln auf den Mars bauen, auf die Venus übrigens auch, und es dabei bewenden lassen. Das ist lächerlich. Unter einer Kuppel kann sich keine Zivilisation entwickeln. Die Kolonie auf dem Mond beweist das. Entweder verändert man den Planeten, bis er sich für die Menschheit eignet, oder man verändert die Menschen, bis sie sich für den Planeten eignen. Man kann nicht ein bißchen von beidem versuchen.«
Merrill hörte auf. Seit sechs Wochen hatte er es jeden Abend mit Ellen durchgesprochen, seit die Angelegenheit vor den Vereinten Nationen offen behandelt wurde.
Bis vor sechs Wochen hatte Merrill zum Verbindungsstab des UN-Generalsekretärs St. Leger gehört. Seine Aufgabe war gewesen, Probleme in der Verwaltung auszubügeln. Er hatte dafür zu sorgen, daß die Maschinerie wie geölt lief. Aber jetzt sah es so aus, als werde die Maschine ganz zusammenbrechen.
St. Leger hatte ihm die neue Aufgabe am 30. Januar übergeben. Der dicke Kanadier mit dem Doppelkinn hatte Merrill wie gewöhnlich zu rauchen und zu trinken angeboten, bevor er aufs Geschäft zu sprechen kam.
»Dane, ich nehme Sie eine Zeitlang aus dem aktiven Dienst heraus.«
»Sir?«
St. Leger lachte leise. »Nein, nein, Sie haben nichts falsch gemacht. Ich möchte nur, daß Sie vorübergehend von der Routinearbeit befreit sind. Ich habe eine spezielle Aufgabe für Sie. Eine höchst wichtige Aufgabe.«
Merrill beugte sich gespannt vor und drückte seine Zigarette aus.
St. Leger sagte: »In drei Tagen wird die Kommission für die Kolonisierung von Planeten mit ihren Voruntersuchungen beginnen. Den Vorsitz wird übrigens Senhor Saldanha aus Brasilien haben. Die Voruntersuchung wird solange dauern, bis alle Gesichtspunkte der Lage breitgetreten sind, worauf der Generalversammlung eine Reihe von Entschließungen vorgelegt wird.« Der Generalsekretär faltete die Hände über seinem dicken Bauch. »Ich habe mich ein bißchen umgehört, und ich glaube, ich kann das Ergebnis der Voruntersuchung vorhersagen. Die Gespräche werden einen toten Punkt erreichen, der nicht zu überwinden sein wird. Dieser Stillstand kann ein Leben lang andauern, und der Mensch wird vielleicht für immer an die Erde gekettet bleiben.«
Merrill wartete ab. Er wußte, daß St. Leger keine Fragen erwartete.
»Ich möchte nun, daß Sie, Dane, zu Hause bleiben und die Debatten am Fernseher verfolgen. Sie sollen sich völlig mit der Situation vertraut machen, mit dem geschichtlichen Hintergrund, den wissenschaftlichen Zusammenhängen, den Persönlichkeiten der Hauptfiguren der Voruntersuchung. Befassen Sie sich nur noch mit der Kolonisierung von Planeten.« St. Leger lachte. »Wenn Ellen Ihnen Schwierigkeiten macht, sagen Sie es mir. Ich werde dann mit ihr reden. Aber ich glaube kaum, daß sie Ihnen Schwierigkeiten machen wird.«
»Das glaube ich auch nicht, Sir.«
St. Leger sagte: »Schön. Irgendwann im Frühling wird die Voruntersuchung zu Ende sein. Der Atem für leeres Geschwätz wird allen ausgegangen sein. Die Geschichte wird dann wirklich an ihrem toten Punkt angekommen sein, wenn ich mich nicht völlig täuschen sollte, und die letzten fünfzehn Jahre habe ich mich bei wichtigen Dingen nie getäuscht. Dann schalten Sie sich ein. Natürlich unter Nennung meines Namens. Wir müssen irgendeinen Kompromiß zustande bringen.«
»Aber –«
»Ich weiß, ein Kompromiß scheint nicht in Sicht. Nun, Dane, wir
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