Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
Gesichtchen, aber das sind oft die Schlimmsten, die alte Frau Eychmüller vom ersten Stock, die jetzt auch schon tot ist, die hat die Wohnung daneben gehabt und hat mir oft im Vertrauen gesagt, dass man das gar nicht erzählen kann, wie es da zugeht, schon gar nicht, wenn man daran denkt, dass der Herr Dannecker ein verheirateter Mann ist...«
    Tamar hatte die Beine übereinander geschlagen und hörte zu, mit einem artigen und aufmerksamen Gesicht.
    »Aber das war längst nicht alles.« Die Frau beugte sich vor und senkte die Stimme. »Der Herr Dannecker hat dieser Person nicht gereicht. Irgendwann erschien nämlich noch ein anderer auf der Bildfläche, die alte Eychmüller hat sich gar nicht beruhigen können, ein junger Kerl war das, der kam immer dann, wenn der Rechtsanwalt nicht da war, das kann man sich ja denken, dass so eine Person auch was Junges haben will, und die Eychmüller hat sich extra Ohropax besorgen müssen, denn das glauben Sie nicht, wie hellhörig dieses Haus gebaut ist, mit so vielen Leuten...«
    »Haben Sie diesen anderen Mann einmal gesehen?«
    »Das weiß ich jetzt nicht mehr so genau, aber die Eychmüller hat mir später gesagt, das wäre so ein Kerl mit lockigen schwarzen Haaren gewesen, ganz ungehobelt, meistens hat er einen Blauen Anton angehabt, und wie ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, da hab ich noch gedacht, es ist der Installateur, der den kaputten Abfluss in der Waschküche reparieren soll, aber er hat mich nur angeschaut, also ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie der mich angeschaut hat und was er mir wegen dem Abfluss gesagt hat, also da müsste ich mich schämen, wenn ich das wiederholen soll...«
     
    K uttler bat noch um einen Espresso und warf einen Blick auf den Fernseher, der oben an der Wand über der Theke hing. Grellund schrill lief Werbung, er trank aus und bezahlte. Draußen war es noch frischer geworden, er machte sich auf den Weg, dabei wusste er gar nicht, was sein Ziel war und was er dort tun würde. Die Straße führte weiter bergab, sie war eng, auf beiden Seiten zugeparkt, der Gehsteig von Rissen und getrockneten Rinnsalen von Hunde- oder anderer Pisse überzogen. An einer kleinen Buchhandlung blieb er stehen, gebrauchte Kriminalromane und Comics, die hier irgendwie anders hießen. Kuttler ging weiter, ein Friseur, ein Spielzeugladen, ein katalanisches Restaurant, an einer Kreuzung wartete er auf die Grünphase, was außer ihm niemand tat. Von dem Haus auf der anderen Straßenseite standen nur die beiden unteren Stockwerke, in denen ein chinesischer Möbelladen Buddhas und Drachenköpfe feilzubieten schien, dahinter erhob sich hoch in den Abend die Brandmauer des Nachbarhauses, bemalt mit einer verblassten Botschaft, Reklame für einen Wermut von 1928.
    Kuttler wich einer Auslage mit Äpfeln und Mandarinen aus und war wieder an einer Kreuzung angelangt, die vier Eckgebäude hatten zur Kreuzung hin abgeschrägte Hausecken. Fast wäre er weitergegangen. Links auf der anderen Straßenseite sah er die Neonreklame eines Cafés, rechts von ihm wartete eine Galerie auf eine Kundschaft, die sich in diese Straße wohl eher nicht verlieren würde, das Erdgeschoss schräg gegenüber stand leer. Schließlich drehte er sich um und warf einen Blick in das Lebensmittelgeschäft, zu dem die Auslage gehörte. Der Laden war hell erleuchtet, hinter der Theke erhob sich eine Regalwand, mit Weinflaschen voll gestellt. Vor der Theke stand eine Kundin, die Verkäuferin schnitt ihr etwas auf, Schinken oder eine Salami, die beiden Frauen schienen sich dabei zu unterhalten. Kuttler hatte plötzlich das Gefühl, es sei ungehörig, sie zu beobachten, und in eben diesem Moment sah die Verkäuferin auf, als hätte sie seinen Blick gespürt. Sie deutete ein Lächeln an, als lade sie ihn ein, hereinzukommen und sich umzusehen, und wandte sich wieder dem Aufschnitt zu.
    Kuttler fiel ein, dass er sich eigentlich ruhig etwas Obst insHotel mitnehmen könne, vielleicht auch ein Mineralwasser und ein paar Kekse. Er trat in den Laden. Der Verkaufsraum war kleiner, als er es von außen gedacht hatte, gegenüber der Theke waren Kisten mit Obst und Gemüse aufgestellt, weiter hinten schloss sich eine Regalwand mit Konserven an, auf dem Boden davor waren neben einer Regalleiter Sechserpackungen mit Wasser und anderem Getränk gestapelt. Aus einer angebrochenen Packung nahm er sich zwei Flaschen Mineralwasser.
    Die Kundin hatte bezahlt, und die Verkäuferin wandte sich Kuttler zu, der die beiden Flaschen

Weitere Kostenlose Bücher