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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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noch Chips für gut 400 Mark.
    »Fleißiges Eichhörnchen«, sagt der Bilch, und wir gehen im Konstanzer Thermalbad schwimmen, wo es auch nur alte Leute hat und der Bilch seinen weißen wabbeligen Körper in einen Liegestuhl plumpsen lässt. Offenbar ist es ein anstrengendes Vergnügen, fünfzehn hundert Mark Klimpergeld zu verzocken. Für »Così fan tutte« kriegen wir dann doch keine Karten, und so fahren wir über die Schweiz zurück und nehmen in Romanshorn die Fähre nach Friedrichshafen, nachdem der Bilch sich noch mit einer Stange Chesterfield-Zigaretten eingedeckt hat. Es ist schon dunkel, ich freue mich auf die Fahrt über den nachtschwarzen See, aber dann sitzen wir in einer Cafeteria, die ausgeleuchtet ist wie ein Wartesaal am Flughafen, und ich muss mir das Gerede vom Bilch anhören.
    »Mit diesem Flavour kriegst du die sonst nur noch in den Staaten«, erklärt er mir.
    Flavour? Es dauert eine Weile, bis ich begreife, dass er noch immer von den Zigaretten redet, ich greife nach einer ausgelesenen Ausgabe der »Neuen Zürcher«, die ein anderer Fahrgast hat liegen lassen.
    »Wo hast du noch mal das Geld her«, frage ich irgendwann, »das Geld für den BMW und die Spielbank?«
    »Die feine Schweizer Biotechnik. Hab ich dir doch gesagt.«
    »Hier steht was von Biotechnik«, sage ich. »Und von einem konstanten Abwärtstrend.«
    »Was für ein schlaues Eichhörnchen!«, antwortet der Bilch. »Aber das sind die Schlimmsten. Zeitung lesen und nichts verstehen.«
    »Dann erklär es mir.«
    »Eichhörnchen kaufen Aktien und warten, dass der Kurs irgendwann einmal ein paar Mark oder Fränkli zulegt. Ich nicht. Ich spekuliere mit Optionen. Konkret: mit Verkaufsoptionen, weil der Hype nämlich darin besteht, dass sie vorbei ist. Ich biete also an, dir Guillaume Tells biodynamische Verhüterli in vier Wochen zum Kurs von heute zu verkaufen. Wenn die Verh üterli bis dahin 40 Prozent verlieren, ist das mein Gewinn.«
    »Du kannst mir viel anbieten«, antworte ich, »niemals werd ich mit dir ein Geschäft machen.«
    Aber der Bilch ist nicht beleidigt. Er lacht nur. »Was hast du schon, womit du Geschäfte machen könntest!«
     
    Dienstag, 10. November
    Krank. Die Lutschtabletten taugen nichts, natürlich nicht. Die Raufasertapete dieser erbärmlichen Bude hat Wasserflecken, bräunliche. Sie ziehen sich von der Decke herab fast bis zum Fußende meines Bettes. Einer der Flecken sieht aus wie Thailand, und Malaysia hängt dran runter, wie ein Schwanz, aus dem noch Ejakulat tropft. Und sich unten, an der Bodenleiste, zu grünlichem Schimmel sammelt.
     
    Mittwoch, 11. November
    Ich bin noch im Bett, es muss früher Nachmittag sein, irgendjemand klingelt und hört nicht auf... Es ist Isolde, die in ihrem alten Renault von Ravensburg und Weingarten durch Gottes eigenes Oberschwaben herübergefahren ist, um in der Uni-Bibliothek etwas nachzuschlagen, angeblich braucht sie es für ihre Zulassungsarbeit, angeblich hat sie auch gefunden, was sie gesucht hat, und nicht nur das! Nein, sie hat auch gesehen, dass heute Abend eine Gruppe Cajun-Musiker aus Louisiana im »Sudhaus« spiele, und ob ich nicht Lust hätte, mit ihr hinzugehen, dabei müsste selbst eine angehende Grundschullehrerin sehen, dass ich Halsweh hab und keine Lust auf Schrammelmusik mit Alligatoren. Schließlich begreift sie und scheint ein wenig enttäuscht, dann will sie wissen, ob ich etwas gegessen habe, ob Medikamente da seien... »Oder soll ich dir was aus der Apotheke holen?« Und sitzt da, auf dem einen Stuhl, den es in meinem Büdchen gibt, und weiß nicht, was sie hier soll. Schließlich fragt sie, ob sie mich nicht besser nach Ulm bringen soll, ohnehin muss sie an diesem Wochenende nach Hause, weil ihr Vater im Krankenhaus ist, und weil ich nicht weiß, was ich sonst mit mir und ihr anfangen kann, sage ich: »Ja«, und Isolde nimmt nicht die Autobahn, sondern wir fahren über die Alb. Die Alb ist schneebedeckt, eine rosen farbene Dämmerung zieht herauf, und irgendwann sagt Isolde mit leiser Stimme:
    »Übrigens wollte ich dir noch danken.«
    T: »Wofür?«
    I: »Wenn du nicht gekommen wärst, ich weiß nicht, wie das ausgegangen wäre.«
    T: »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    I: »Das mit Bilch. An der Ruine im Lautertal.«
    T: »Ach so.« Plötzlich ist mir alles nur noch peinlich. »Aber ich hab ja gar nichts gemacht. Ich wusste ja nicht, wie ihr es miteinander habt.«
    I (nach einer Pause): »Nein?«
    Und die ganze Zeit denke ich, das ist das

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