Uferwald
Theater ›Così fan tutte‹, na ja Konstanz, aber warum soll man sich das nicht anhören, einfach so!«
Sagte ich bereits, dass ich an diesem Morgen nicht ganz klar im Kopf war? Ich stelle das Rad ab und steige beim Bilch ein, und wir fahren durch Oberschwaben, und Bilch redet von Autos und von Schweizer Bio tec-Aktien, das sei überhaupt der Hype jetzt, wer es klug anstelle, könne damit praktisch nur gewinnen, wie ich an seinem vorzüglichen Schlitten sehe, und ob er für mich nicht auch mal ein Engagement tätigen darf? Ich antworte, dass ich dafür kein Geld übrig hätte, die paar Kröten aus der Buchbinderei seien wirklich zu sauer verdient, um sie aufs Spiel zu setzen, und Bilch erklärt, dass ich eben keine Ahnung habe, was Geld wirklich sei...
»Für sich genommen ist Geld blöd. Es ist gar nichts. Geld ist erst dann Geld, wenn es zu fressen kriegt. Es muss mehr werden, sonst verfällt es schneller, als du hingucken kannst. Geld ist nur das, was in Umlauf ist.« So ungefähr belehrte er mich aus der profunden und umfassenden Kenntnis eines bei der Ulmer Handels- und Gewerbebank ausgebildeten zweiten Hilfskassiers. »Da gibt’s in unserer Filiale ein altes Tantchen. Die sieht nicht mehr richtig, und ich muss ihr die Kontoauszüge vorlesen, aber wenn sie ein paar Mark fünfzig mehr drauf hat, dann ist das ihr ganzes Glück. Es bräuchte gar keins da zu sein, Hauptsache, ich sag ihr, es ist mehr geworden...«
Ich wende ein, dass die Banken dann doch eigentlich besser Chips ausgeben sollten wie die Spielbanken, und der Bilch lacht und sagt, warum nicht? Und: »Hast du überhaupt jemals ein Casino von innen gesehen?«
Wahrheitsgemäß antworte ich, dass nein, und Bilch sagt: »Ha! Das werden wir ändern!«, und fährt drauflos, irgendwann legt er eine Scheibe auf, eine Messe von Mozart, das ist doch pervers, am Sams tagmorgen im Auto eine Mozart-Messe hören, nur weil ich zu müde oder zu schwächlich oder zu gleichgültig bin, um zu protestieren... In einer guten Stunde sind wir in Meersburg, gelangen mit der Fähre über einen blaugrauen krisseligen Bodensee nach Konstanz, und ich finde mich vor der Spielbank wieder, wo mir der Bilch partout eine fleckige Krawatte aufnötigen will, die er im Handschuhfach übrig hat, weil man nämlich ohne Krawatte nicht reinkommt, dabei habe ich allmählich wirklich Kopfweh und schniefe aus beiden Nasenlöchern...
T. : »Außerdem hab ich kein Geld dabei, wirklich nicht, schon gar keines zum Zocken.«
B. : »Kein Problem, nirgends. Wenn du willst, schaust du auch nur zu.«
An der Rezeption müssen wir uns ausweisen und Eintritt bezahlen, der Bilch bezahlt für mich und legt an der Kasse zwei Tausender in die Drehscheibe unterm Panzerglas, bekommt dafür ein paar Rollen blauer, grüner, roter Chips, teilt einen Haufen davon ab und schiebt ihn mir zu.
Betäubt stolpere ich in einen Saal mit Plüsch und Kristalllüstern und Mahagoni-Tischen, irgendwo sieht man sogar den See, es achtet aber sonst niemand darauf. Wohin hat mich der Bilch da geschleppt? Lauter Leute jenseits von Gut und Böse, verbrauchte alte Weiber mit ondulierten, blond gefärbten Haaren, merkwürdig angekratzte Greise in karierten Sakkos, kaum jemand jünger als vierzig, falls ich das Alter überhaupt schätzen kann, weil die Gesichtszüge der Leute mir sämtlich erscheinen, als seien sie zu oft entgleist. Der Bilch bewegt sich überraschend gewandt in diesem Milieu, dass er ein Zocker ist, wusste ich eigentlich schon immer, den Vorstand der Handels- und Gewerbebank wird es freuen. Immerhin erklärt er mir, wie ich setzen kann, und ich begreife, dass ich mit einfacher Chance nicht viel riskiere: Ich beginne ganz niedrig mit Rot, wenn ich gewinne, bin ich’s zufrieden und beginne von vorne, verliere ich, bleibe ich bei Rot und verdopple den Einsatz, und das so lange, bis Rot kommt. Irgendwann tut es das, und ich behalte einen kleinen Gewinn... Bilch erklärt mir, dass das leider nur peinlich sei, aber er wolle mir nicht dreinreden und gehe deshalb an einen anderen Tisch, wo er zwischendurch Zehntausend gewinnt, wie er mir sagt, aber eine halbe oder eine ganze Stunde später kommt er plötzlich wieder zu mir und grinst und sagt:
»Alles in Umlauf gebracht!«
Ich biete ihm meinen Haufen an, der inzwischen etwas größer geworden ist, aber er will nichts nehmen. Ich bestehe darauf, dass er zumindest zurücknimmt, was er mir als Startkapital gegeben hat. Schließlich nimmt er es, aber mir bleiben doch
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