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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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ist ein Heim für Obdachlose,für alte kranke Menschen, die sonst kein Zuhause haben. Vielleicht glauben Sie, Sie könnten auf uns herumtrampeln, uns behandeln wie den letzten Dreck, aber da irren Sie! Wir haben auch unsere Menschenwürde.«
    »Unsere Ermittlungen, lieber Herr Brauchle«, unterbrach ihn Tamar, »richten sich nicht gegen die Bewohner hier, sondern sie beschäftigen sich mit den Umständen, unter denen einer von ihnen gestorben ist. Haben Sie das verstanden, oder sollen wir die Vernehmung im Neuen Bau fortsetzen?«
    Brauchle schwieg.
    »Und was ist mit dem Hausarzt?«
    »Er hat seine Praxis in der Oststadt«, sagte Brauchle.
     
    D ie Orgel spielte fromm und feierlich und irgendwie auch so, dass jeder hören konnte, gleich haben wir es überstanden. Der Sarg verschwand auf seinem Förderband, zurück blieben Blumen und Trauergäste, die noch einen Augenblick verharrten, als warteten sie auf etwas.
    Dann wandte sich Pfarrer Rübsam zur Tür, blieb dort stehen, Luzie folgte als Erste, so als ob – absurd genug – sie die Hauptleidtragende sei, und tauschte einen Händedruck mit Rübsam, »Ich danke Ihnen...« murmelnd, wofür auch immer.
    Draußen, auf dem gekiesten, von Thujahecken eingerahmten Vorplatz, blieb sie einen Augenblick in der Sonne stehen und atmete durch. Vorsichtig tastete sie nach der schmerzenden Stelle in ihrem Rücken. Schleicher kam heraus und gesellte sich zu ihr.
    »Ich glaube, das haben wir ganz gut hinter uns gebracht.« »Du vielleicht«, antwortete Luzie.
    »Du nicht?«
    »Der Personalrat will, dass ich die Schuldige bin. Hätte ich nichts unternommen, hätte es keinen Ärger gegeben, so einfach ist das.«
    Schleicher zog eine Grimasse und sagte nichts. Das hätte ichmir denken können, dass dir dazu nichts einfällt, dachte Luzie. Wer mit einer roten Krawatte in den Landtag will, darf sich nicht mit der Dienstleistungsgewerkschaft anlegen. Niemals.
    »Noch ein Gedächtnisschluck?« Bilch trat auf sie zu. Hinter ihm kamen Puck und Juffy aus der Aussegnungshalle. »Vielleicht im Eastside?«
    »Da bringen mich keine zehn Pferde mehr hin«, sagte Puck.
    »Oben an der Straße ist ein Café«, meinte Juffy. »Wir waren mal mit dem Elternbeirat dort. Es ist auch nicht trauriger als der Friedhof.«
    Der graubärtige Mann und das Kopftuch-Mädchen gingen an der Gruppe vorbei. »Geht schon mal vor«, sagte Luzie und folgte dem Graubärtigen, bis sie ihn eingeholt hatte, und stellte sich vor.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Und dass Sie uns geschrieben haben.«
    Der Graubärtige nickte und murmelte etwas, auf seine Tochter deutend. Luzie verstand: »Sie hat geschrieben, aber lesen sehr schwierig sein.«
    Ja, antwortete Luzie, es habe leider zu lange gedauert, bis etwas geschehen sei. »Eine Mitarbeiterin ist krank gewesen, verstehen Sie?«
    Ja, sagte der Graubärtige, »Leute viel krank.«
    Dann verbeugte er sich und seine Tochter auch, und Luzie nickte ihnen zu und wandte sich ab und ging zum Parkplatz. Auf halbem Weg stieß sie auf den Mann, von dem Juffy behauptet hatte, er sei von der Polizei.
    »Entschuldigen Sie«, sagte der Mann, »mein Name ist Kuttler, Markus Kuttler, ich bin Polizeibeamter, man hat mich zugezogen, als Frau Gossler gefunden wurde...«
    Luzie nickte und nannte ihren Namen. »Haben Sie Fragen?« Das kam etwas schroff, wie sie selbst fand.
    »Nein«, antwortete der Mann fast bedächtig, »keine Fragen, nicht hier. Ich bin auch nur gekommen, weil ich...« Er warf einen Blick auf den Trauerflor an seinem Ärmel.
    »Ja?«, hakte Luzie nach. »Warum sind Sie hier?«
    Sein Blick kehrte zu ihr zurück. Er hatte braune Augen, fast wie ein Hund.
    »Sagen Sie«, fragte er plötzlich, »Solveig ist nicht gekommen?«
     
    D er Mann, den Brauchle hatte rufen lassen und der nun der Kommissarin Tamar Wegenast gegenübersaß, war groß, nach vorne gebeugt und hatte die wässrigen Augen eines Achtzigjährigen. Tatsächlich war er noch keine sechzig.
    »Wie soll der heißen?«
    »Kaminski«, wiederholte Tamar. »Rolf Kaminski.«
    »Kenn ich nich.«
    »Man hat ihn auch Rolli-Rolf genannt.«
    »Rolli-Rolf, ja«, sagte der Mann. »War ein feiner Kumpel. Immer lustig. Saß im Rollstuhl. Aber immer gut drauf.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Is nich mehr da.«
    »Er ist krank geworden und gestorben, erinnern Sie sich?«
    »Ja«, sagte der Mann, »der hat einen Unfall gehabt. Dann saß er im Rollstuhl. So war das. Wir haben ihn nur Rolli-Rolf genannt, wissen Sie! Aber immer gut

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