Uferwald
drauf.«
»Wissen Sie noch, wie das war, als er krank geworden ist?« »Ja, der hatte doch den Unfall, und dann kam er in den Rollstuhl...«
D ie Gastwirtschaft oberhalb des Friedhofs hatte ein Kasseler mit Kartoffelpüree zu 5.95 im Mittagsangebot. Außerdem musste der Wirt Jäger sein, denn an den Wänden hingen Geweihe und der ausgestopfte Kopf eines Kaffernbüffels.
»Ein guter Tipp, Juffy«, sagte der Bilch, als er einen Schluck getrunken hatte. »Das ist nun mal wirklich ein Kaffee zum Weinen. Warum sitzen wir hier eigentlich noch zusammen?«
»Das war deine Idee gewesen«, antwortete Puck.
»Vielleicht ist es gar nicht so dumm«, meinte Juffy. »Ich meine, dass wir noch einmal darüber reden, wie das damals war.« »Wann damals?«, fragte der Bilch.
Juffy rührte mit dem Löffel in seiner Kaffeetasse. »Bei dieser Trauerfeier«, sagte er bedächtig, »da waren doch noch dieser türkische Schneider und seine Tochter dabei? Aber außer denen kam noch jemand. Jacke, kariertes Hemd.« Er trank einen Schluck und verzog das Gesicht. »Und der war von der Polizei.«
Schleicher runzelte die Stirn. »Woher willst du das wissen?«
Juffy sah hoch. Durch den Vorhang, der die Tür verdeckte, kam Luzie herein. Sie sah nachdenklich aus oder jedenfalls nicht vergnügt, aber nach einer Trauerfeier hätte sich das wohl auch nicht gehört, dachte Juffy. Sie setzte sich.
»Juffy sagt gerade, da sei ein Polizist gewesen«, sagte Schleicher.
»Ich weiß«, antwortete Luzie. »Ich hab mit ihm gesprochen.« »Und was will er?«
»Das weiß ich nicht. Er sagte, er habe keine Fragen, nicht hier oder nicht jetzt, es klang so, als wolle er später noch einmal mit mir reden, jedenfalls hab ich ihm meine Karte gegeben...«
»Bei mir war er auch schon«, sagte Puck. »Und natürlich hat er Fragen. Wie das damals war, in der Neujahrsnacht, ob Til betrunken gewesen sei, solche Sachen halt. Und dann noch etwas ganz Merkwürdiges.«
Luzie sah auf.
»Er wollte wissen, ob damals eine Solveig aufgetaucht sei.« »Wer soll das sein?«, fragte Juffy.
»Ich hab ihm nur gesagt, dass ich keine Solveig kenne«, antwortete Puck.
Die Bedienung kam vorbei, und der Bilch bestellte einen Kognak. »Auf so einen starken Kaffee... Natürlich wissen wir, wer Solveig ist«, fuhr er fort, wieder zu den anderen gewandt. »Eine Schwarzhaarige, die so etwas hatte, so etwas Gewisses...« Er sah Luzie an und grinste leicht. »Du hast sie an den Tisch geholt,weißt du das nicht mehr? Es ist doch komisch, von uns allen hatte nur einer ordentlich getankt, nämlich ich, und wer ist es, der sich erinnert?« Er klopfte sich an den Kopf. »Ich mag vielleicht knülle gewesen sein, aber auf meiner Festplatte ist alles da.«
»Halt mal den Rand«, sagte Schleicher. »Wer ist diese Solveig, und was hat sie mit der Frau Gossler und mit Tilman zu tun, dass es die Polizei interessiert?«
»Woher soll ich das wissen?«, fragte Puck. »Ihr habt doch mit der geredet damals.« Juffy sah sie an.
»Ich erklär es euch«, fuhr der Bilch fort. »Es muss mit Tilman zu tun haben. Er hat nämlich damals den ganzen Abend praktisch kein Wort mehr gesagt. Seinen Stuhl hat er zurückgeschoben, ungefähr so« – Czybilla rückte vom Tisch ab, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und hob das Gesicht, als ob er das Deckenmuster studieren müsse – »und den restlichen Abend damit verbracht, ein Gesicht zu machen, das er für ein interessantes hielt. Er ist auf die Solveig abgefahren wie nicht gescheit, war aber zu blöd, sie richtig anzumachen. Erinnert ihr euch wirklich nicht?«
»Ich glaube doch«, sagte Schleicher zögernd. »Aber ich verstehe nicht, was das heute noch irgendeinen Menschen interessieren könnte, geschweige denn die Polizei.«
»Doch«, meinte Juffy, »das kann die Polizei durchaus interessieren. Wenn sie nämlich annimmt, dass mit dem Unfall in der Neujahrsnacht nicht alles koscher gewesen ist.«
T amar verstaute die beiden Aktenordner, deren Empfang sie Brauchle quittiert hatte, auf dem Rücksitz ihres Opels, und ohne sich umzusehen spürte sie die neugierigen und lauernden Augen, die aus den Fenstern mit den verrauchten graugelben Stores jede ihrer Bewegungen beobachteten. Für heute Abend hatten die Bewohner des Heimes Zuflucht genug Gesprächsstoff, aber keinen, der dem Heimleiter gefallen würde.
Ein zweiter alter Mann, der schon im Heim gewesen war, als Kaminski starb, hatte gleich gar nicht mit ihr reden wollen, er kenne keinen Kaminski, habe
Weitere Kostenlose Bücher