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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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dass das keine besonders glückliche Entscheidung war...«
     
    T amar lehnte sich zurück und schloss für einen Augenblick die Augen. Was für ein Spiel spielen wir hier, und wer zieht welche Drähte? In Tilmans Tagebuch ist von einer Freundin Solveigs die Rede, die angeblich in Danneckers Kanzlei arbeitet und angeblich weiß, dass das Geld für Kaminski bereits geflossen ist. Höchst unwahrscheinlich, dachte Tamar. Solveig lebt gerade ein Jahr in Ulm, lernt Tilman kennen und hat gleichzeitig ausgerechnet eine Busenfreundin bei dem Anwalt im Büro, für den sich Tilman interessiert. Ausgeschlossen.
    Also? Aber Tamar kam nicht dazu, weiter nachzudenken. Die Tür öffnete sich, Kuttler kam herein und mit ihm ein hoch gewachsener, schlanker Mann in seinem Alter, meliertes Jackett, graue Hosen, sorgfältig gebügelt, graues Hemd, dezent rote Krawatte, fuchsrotes Haar, ins Graue spielend und an den Ecken der Stirn schon etwas gelichtet.
    »Das ist der Herr Matthes«, stellte Kuttler vor, »er hat unten auf mich gewartet.«
    Schleicher also, dachte Tamar und tauschte mit dem Besucher einen kurzen Händedruck. »Sie entschuldigen mich«, sagte sie dann. »Ich habe noch ein paar Dinge zu klären.« Kuttler blickte sie fragend an, aber statt einer Antwort kniff sie ein Auge zu und verließ, ihren Notizblock in der Hand, das Büro.
    Matthes setzte sich auf den Besucherstuhl, den ihm Kuttler anbot. »Sie müssen entschuldigen, dass ich darauf bestanden habe, Sie hier aufzusuchen. Aber ich habe jetzt einfach einmal angenommen, dass Ihre Ermittlungen nichts mit meiner Tätigkeit im Rathaus zu tun haben. Ich wollte deshalb jedem falschen Eindruck vorbeugen.«
    Kuttler, der inzwischen hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, sah ihn ausdruckslos an. Er fühlte sich unbehaglich. Der Besucher schien über eine Selbstsicherheit zu verfügen,die selbst dann nicht in Gefahr geriet, wenn er offenkundigen Unsinn redete. Warum hätten sie sich nicht genauso gut im Rathaus treffen können? Nun, es war seine Sache. Und Kuttlers Sache war es, seine Fragen zu stellen.
    »Sie waren mit Tilman Gossler befreundet?«
    Matthes blickte auf, als sei er überrascht. »Befreundet? Wir sind zusammen in die Schule gegangen, gehörten beide zur gleichen Clique. Natürlich könnte ich behaupten, dass wir befreundet gewesen seien. Aber ich weiß nicht, ob Tilman das so gesehen hätte.«
    »Warum nicht?«
    »Er war sehr eigenwillig. Ein Individualist. Er kam aus kleinbürgerlichen Verhältnissen und hat das mit einer großbürgerlichen Attitüde kompensiert, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Nein.«
    »Wie bitte?« Eine kaum merkliche Röte überzog Matthes’ Gesicht.
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte Kuttler. »Ich weiß nicht, was eine großbürgerliche Attitüde ist.«
    »Entschuldigen Sie.« Matthes schien zu überlegen. Die Röte verschwand wieder, aber der Blick, mit dem er Kuttler beobachtete, war wachsamer geworden. »Um keinen Preis der Welt hätte sich Tilman Gossler irgendjemandem anpassen wollen oder sich in ein Schema einfügen lassen. Sie hätten ihm fünf Stühle anbieten können, und er hätte sich doch nur irgendwo dazwischen auf den Boden gesetzt.«
    »Sie waren schon damals politisch engagiert?«
    »Ja... warum fragen Sie?«
    »Haben Sie versucht, ihn für Ihre Seite zu gewinnen?«
    »Sicher«, kam die Antwort. »Immer wieder mal hab ich das versucht. Aber es war aussichtslos. Ab und zu hat er sich bei der Neuen Linken blicken lassen, bei der Gruppe Stächele, wissen Sie...«
    »Also war er doch ansprechbar«, meinte Kuttler und fügtehinzu: »Jedenfalls dann, wenn es um politische Überzeugungen ging.«
    Matthes bekam wieder diesen Blick, der Unheil zu wittern schien. »Ich glaube, es war keine Frage der Überzeugung. Bei der Neuen Linken hat ihn fasziniert, dass es eine ganz und gar aussichtslose Sache war.«
    Kuttler fühlte sich plötzlich etwas wohler. Er hatte gerade einen Punkt gemacht. Überzeugungen waren für den angehenden Politiker Matthes kein Thema. Dann wollen wir mal hören, was ihm sonst eines sein könnte...
    »Haben Sie mit ihm geschlafen?«
    Der nächste Punkt? Nein. Matthes’ Gesicht zeigte keine Reaktion. Er betrachtete Kuttler, aufmerksam, vorsichtig, nicht einmal feindselig, oder genauer: nicht erkennbar feindselig.
    »Nein«, sagte Matthes. «Definitiv nein.«
    »Es hat nie eine Situation gegeben, in der...« Kuttler wusste nicht, wie er fortfahren sollte. Eine Situation, in der das

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