Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
Auskunft?«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Kuttler, »ich wollte nur wissen, ob Sie sich an eine Arbeit erinnern, die Sie einmal einem jungen Mann verkauft haben – es war eine Schreibtischlampe aus einem einzelnen Autoscheinwerfer. Vielleicht haben Sie sie auch gar nicht verkauft, sondern eher halb verschenkt.«
    »Was Sie in dieser Stadt verkaufen können«, antwortete Keull, »das müssen Sie immer halb verschenken. Wann soll das gewesen sein?«
    »Im Herbst 1998«, antwortete Kuttler. Aus den Augenwinkeln sah er, dass mit Luzie Haltermann eine Veränderung vorging, so als sei eine unhörbare Alarmsirene losgegangen.
    »1998? Das ist eine Weile her«, sagte Keull. »Ich hab ein paar solche Dinger gemacht, da erinnere ich mich nicht mehr an jedes Einzelne. An wen soll ich es verkauft haben?« Plötzlich schien er zornig zu werden. »Was fragen Sie mich das überhaupt?«
    »Der Käufer war ein Tilman Gossler«, antwortete Kuttler. »Er soll in Begleitung einer jungen Frau bei Ihnen gewesen sein. Diese junge Frau war dunkelhaarig und...« – Kuttler lächelte, fast verlegen – »wurde uns als sehr attraktiv beschrieben. Es würde mich interessieren, ob dieser Besuch wirklich so stattgefunden hat. Mit Ihnen hat das eigentlich gar nichts zu tun, es geht nur darum, dass wir jemanden finden, der uns bestätigenkann, dass Gossler damals in Begleitung dieser jungen Frau gewesen ist.«
    »Na«, sagte Keull, »wie soll sie denn heißen, diese dunkelhaarige Attraktion?« Seine Stimme klang nicht mehr zornig, fast schon jovial, aber seine Augen wirkten angespannt und wachsam.
    »Solveig«, antwortete Kuttler. »Solveig Wintergerst.«
    Keull schien zu überlegen. »Tut mir Leid«, sagte er schließlich. »Der Name sagt mir nichts. Aber 1998 hatte ich mein Atelier in Söflingen draußen, das heißt, Atelier ist zu viel gesagt, es war ein Schuppen, der zu einer Autowerkstatt gehört hat.« Er blickte von Kuttler zu Luzie. »So ungeschickt war das ja nicht. Damals bin ich darauf gekommen, Schrott als Werkstoff zu nehmen. Schon deshalb, weil ich für etwas anderes gar kein Geld hatte.« Er wandte sich wieder Kuttler zu. »Ich erinnere mich, dass da mal so ein junger Klugscheißer bei mir war, die jungen sind noch schlimmer als die alten, weil sie keine Ahnung haben, wann es besser wäre, das Maul zu halten, damit sie keine gewischt bekommen. Aber ich habe ihm keine gescheuert, sondern ihm eine Lampe verkauft, die gerade übrig war, für ein paar Mark, nur damit er geht.«
    »Und diese Solveig?«
    »Kann ich mich nicht erinnern«, sagte Keull und blickte wieder zu Luzie. »Wirklich nicht. Der war allein bei mir. Wenn es der ist, nach dem Sie fragen.«
    Ein rundlicher Herr mit einer schief sitzenden schwarzen Perücke näherte sich der Statue und blickte neugierig auf Keull. »Das war’s schon«, sagte Kuttler.
    »Nichts zu danken«, meinte Keull und ging zu dem Mann mit der Perücke.
    Kuttler nickte Luzie zu und wandte sich zum Gehen. »Sie haben sonst keine Fragen?«
    Er drehte sich noch einmal um und betrachtete Luzie Halter- mann. Sie sah ihn herausfordernd an, fast kampfeslustig, als wolle sie jetzt und auf der Stelle und im Namen von allen anderensämtliche Fragen beantworten, die Kuttler zu stellen hatte, und zwar ein für allemal.
    So siehst du aus, dachte Kuttler. »Doch«, sagte er freundlich. »Aber nicht jetzt.«
     
    D raußen war es kühl geworden, und es waren nur noch wenige Passanten unterwegs. Mit raschen Schritten ging Kuttler an der Südseite des Münsters entlang und weiter am Stadthaus vorbei zum Neuen Bau, wo er seinen Wagen geparkt hatte. Sollte er noch einmal ins Büro?
    Morgen war auch ein Tag.
    Er startete seinen Wagen und fuhr über die Neue Straße und am Hauptbahnhof vorbei in die Neustadt. Vor der Ampel am Theater musste er warten. Alles Weitere morgen also. Morgen würde er das demolierte Fahrrad aus dem Gosslerschen Keller sicherstellen lassen. Vielleicht hatten sie im Landeskriminalamt einen Fachmann, der sich das Rad und den Unfallhergang noch einmal vornehmen würde.
    Vor allem aber mussten sie Solveig finden. Hatte Keull sich wirklich nicht an sie erinnert? Oder hatte er sich nicht erinnern wollen?
    Die Ampel schaltete auf Grün, Kuttler fuhr weiter, bog nach links ab und weiter in die Gasse, wo er wohnte und wo ab 19 Uhr ein Anwohnerparkplatz für ihn reserviert war.
    Der Parkplatz war nicht reserviert.
    Auf dem Platz stand ein hässlicher, sperriger, großer Kühlschrank.

Treutlein, nicht zu

Weitere Kostenlose Bücher