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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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sind? Und deinen Kollegen?«
    »Ja«, sagte Isolde müde, »wenn es sich ergibt. Aber wir sind eine städtische Schule, kein Freier Kindergarten, ist dir das klar? Ich kann die Kinder nicht einfach auf die Straße schicken, damit sie gegen die Stadt demonstrieren. Der Rektor reißt mir den Kopf herunter, wenn ich es tue und er es spitzkriegt.«
     
    D as Auto ist gut«, sagte Wanja.
    Brötchen kroch unter dem Chassis hervor und richtete sich langsam auf.
    »Du hast Recht«, sagte er. »Es hat vier Räder.«
    »Red keinen Scheiß«, widersprach Wanja. »Es ist genau das, was wir brauchen. Unauffällig. Und es hat eine gute Beschleunigung. Nur für den Notfall. Schau her.« Er entfaltete einen Stadtplan und legte ihn auf der Motorhaube aus. »Ich habe es mir genau angesehen. Zwischen zwei und halb vier stehen dort an der Kreuzung nie mehr als vier oder fünf Autos vor der Ampel. Der Rückstau geht also nicht bis zum Hochhaus. Das heißt – wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder kommen wir bei Grün auf die Fahrbahn, dann starten wir einfach durch, und es ist gut. Oder es ist Rot, dann haben wir wieder zwei Möglichkeiten: Wir fahren über den Gehweg und durch die Tankstelle rechts vorbei, oder wir nehmen links die Gegenfahrbahn.«
    »Und haben wieder zwei Möglichkeiten«, sagte Brötchen und begann, sich den Staub von der Hose zu klopfen. »Es kommt uns Muttchen entgegen oder Väterchen im Daimler, und wir knallen hinein. Und das ist dann auch gut, wie?«
    »Eben nicht«, sagte Wanja. »Die Phasen sind so, dass erst Grün hat, wer von rechts kommt, dann die Fußgänger, und dann kommt erst wieder unsere Richtung dran. Das behalt ich im Auge. Also, wenn du fertig bist, und wir haben Rot, dann weiß ich, ob ich links oder rechts an der Ampel vorbeimuss. Und wenn ich rechts fahren muss, dann machen uns die Fußgänger schon Platz, da brauchst du keine Sorgen haben, und wenn wir an der Ampel vorbei sind, sind wir praktisch auf dem Autobahnzubringer und weg von hier und auf der Münchner Autobahn, verstehst du? Und wenn wir auf der Münchner Autobahn sind, gehen wir an der nächsten Ausfahrt wieder runter und fahren ganz brav und mit Tempo fünfzig in die Stadt und ins Parkhaus, wo unser eigenes Auto steht, und dann kannst du schon Kaffee trinken gehen, so einfach ist das.«
    »Nett, dass bei dir immer alles so einfach ist«, sagte Brötchen.
    »Nur ein einfacher Plan«, antwortete Wanja, »ist ein guter Plan.«
     
    S ie würden um 10 Uhr bei ihm sein, hatte Tamar gestern Abend mit Dannecker vereinbart. Bis dahin war es noch eine gute Viertelstunde, und so gingen Tamar und Kuttler rasch noch einen Espresso bei Tonio trinken.
    Dass sie zu zweit bei Dannecker erscheinen sollten, hatte Englin angeordnet. »Der soll wissen, dass wir den ganz großen Hammer rausholen«, hatte er gesagt. Aber erst jetzt begann die Bemerkung Kuttler zu wurmen.
    Tamar nahm einen Schluck und betrachtete ihn über die Tasse hinweg.
    »Was hast du?«
    Kuttler kniff das Auge zusammen. »Ich kann sein Gerede nicht ab. Allmählich find ich ihn fast schlimmer als vorher. Als er immer nur abgewiegelt hat, war er berechenbarer.«
    »Dieses Augenzwinkern hat sich ein wenig gelegt«, antwortete Tamar. »Ist dir das nicht aufgefallen?« Sie nickte Tonio zu und legte einen Fünf-Euro-Schein auf den Tresen. »Ist gut so.« Sie wandte sich wieder Kuttler zu. »Und was den großen Hammer angeht – mach dir nichts draus. Männer müssen so reden.«
    Kuttler wollte protestieren, aber Tamar hatte ausgetrunken, und so machten sie sich auf den Weg, der sie durch den öden Frauengraben führte, an der Außenstelle der Justizvollzugsanstalt vorbei.
    »Diese Gespräche gestern haben dir nicht gut getan«, sagte Tamar beiläufig.
    »Stimmt«, antwortete Kuttler einsilbig.
    »Und kannst du das an irgendetwas festmachen?«
    »Vielleicht an Matthes. Es ist komisch...« Er warf einen prüfenden Blick zu Tamar, die zwei Schritte vor ihm ging. So konnte er ihren Gesichtsausdruck nur ahnen. »Matthes hat anscheinend überhaupt kein Problem, von seiner Homosexualitätzu sprechen, das heißt, gesprochen haben wir darüber ja nicht, aber es war klar, dass er kein Geheimnis daraus machen will.«
    »Und das findest du komisch?« Tamars Stimme klang eine Spur sanfter als sonst. Vorsicht, dachte Kuttler.
    »Nein«, sagte er eilends, »natürlich nicht. Aber warum streitet er hartnäckig ab, dass es in dieser Neujahrsnacht einen Krach innerhalb der Gruppe gegeben haben muss? Er

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