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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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unbemerkt höhere Summen abzuzweigen.«
    »Ihre Frau hatte bis dahin tatsächlich nichts bemerkt?«
    »Ich weiß es nicht. Unsere Ehe ist schon länger …« Er legte seine Hände mit Nachdruck zusammen.
    »Ich verstehe.«
    Oskar holte tief Luft. »Bald begann Said wieder, in der Stadt herumzuschweifen.«
    »Was hat er getrieben?«
    »Er hat seinen Körper verkauft. Ich fand es heraus, als er anfing, immer teurere Kleider zu tragen, bekannte Marken. Eines Tages ließ er ein brandneues Smartphone herumliegen, und als ich ihn danach fragte, antwortete er, ein Kollege hätte es ihm geschenkt. Ich fand dann heraus, dass er längst eine eigene Mansarde gemietet hatte und regelmäßig in den Stricherlokalen in der Altstadt verkehrte. Eines Tages war dann sein Gepäck weg. Ich habe ihn nie mehr wiedergesehen. Als ich ein paar Wochen später im Radio von dem unbekannten Toten hörte, der in Zumikon gefunden worden war, befiel mich sofort ein ungutes Gefühl. Besorgt lief ich noch am selben Morgen zu seiner kleinen Wohnung, doch er war nicht zu Hause. Am nächsten Tag erkannte ich dann die Kleidungsstücke in der Zeitung. Da wusste ich, dass etwas Schreckliches geschehen war.«
    »Und riefen postwendend mich an …«
    »Ihr Bild war in der Zeitung abgedruckt. Die Telefonnummer rauszufinden, war dann nur noch Formsache.«
    »Was haben Sie denn vorhin in der Wohnung gemacht?«
    »Ich bin seit Saids Abgang nicht mehr dort gewesen und wollte mich überzeugen, dass er nichts zurückgelassen hat. Das Apartment wird ab nächster Woche benutzt.«
    »Was gefunden?«
    »Da war leider nichts. Ich hatte die Hoffnung, dass ich einen Hinweis auf seine Bekanntschaften finden würde. Doch er hat alles mitgenommen.«
    Ich lehnte mich zurück. »Haben Sie eine Ahnung, wer Said umgebracht haben könnte?«
    »Nein, nicht ansatzweise. Deswegen habe ich ja Sie engagiert.«
    »Könnte es ein Stricher gewesen sein? Said war neu in der Stadt, vielleicht hat jemand die Konkurrenz aus dem Weg räumen wollen?«
    »Das entzieht sich meinen Kenntnissen. Ich verkehre nicht in solchen Kreisen«, setzte mein Auftraggeber dezidiert hinzu.
    »Was ist mit dem anderen Liebhaber? Diesem älteren Mann?«
    Oskar wiegte den Kopf. »Ich würde meinen, er sei zu alt und zu wenig kräftig dazu, er ist ein eher weibischer Typ. Andererseits liest man ja immer wieder bestürzende Berichte darüber, wozu wütende Menschen fähig sind.«
    Da gab ich ihm bedingungslos recht.
    Die junge Frau, die das Hochhaus gerade mit einem Kleinkind auf dem Arm verließ, hielt mir die Tür auf. Ich rannte die letzten Meter und bedankte mich bei ihr, worauf sie lächelnd den Blick senkte. Ich blieb in der offenen Tür stehen und schaute ihr hinterher, doch sie sah nicht mehr zurück. In der Eingangshalle blieb ich vor den Briefkästen stehen und überflog die Namen, bis ich den gesuchten entdeckt hatte.
    Ich hatte gerade auf den Aufzugknopf gedrückt, als mir etwas Blaues auf der Ablagefläche über den Briefkästen ins Auge stach. Als ich erkannte, was es war, begann mein Herz begehrlich zu klopfen.
    Dunkelblau. Mein Dunkelblau. Parisienne .
    Ich ging ein paar Schritte zurück und griff mit zitternden Fingern danach. Das Päckchen war zerknittert und sah mitgenommen aus, aber es befand sich noch genau eine Zigarette darin. Ich steckte es in die Jackentasche und betrat den Lift.
    Die Wohnung von Kurt Binggeli befand sich im vierzehnten Stock am Ende eines sauber gewischten Laubenganges. Ich klingelte und als sich nichts tat, gleich nochmals, diesmal aber länger. Ich überzeugte mich, dass niemand im Anmarsch war und schaute dann durch die Fensterscheibe neben der Haustür, doch Gardinen verhinderten, dass man in die Wohnung hineinsah. Ich trat zurück und lehnte mich unschlüssig ans Geländer der Galerie. Der Alte war nicht da, und ich überlegte, ob es sich wohl lohnte, auf ihn zu warten.
    Nachdem mir Oskar so bereitwillig Name und Adresse seines Rivalen verraten hatte, war es für mich unumgänglich, seinem Kontrahenten einen Besuch abzustatten. Ich hatte ja gleich gewusst, dass er mich in Balthasars Bar angelogen hatte, doch wenn ich geahnt hätte, dass Said sogar eine Zeit lang bei ihm gewohnt hatte, wäre ich bei meiner Befragung weniger einfühlsam vorgegangen. Es schien mir wenig wahrscheinlich, dass Binggeli der Silberwolf war, aber vielleicht hatte er diesbezüglich etwas mitbekommen, als Said bei ihm gelebt hatte.
    Einmal mehr wurde mir bewusst, dass Zürich – obwohl es sich

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