Uferwechsel
Kadermitarbeiter angemietet hat. Von Zeit zu Zeit schickt die Muttergesellschaft solche Leute her. Leute, die sehr oft reisen und eine Privatwohnung dem Hotel vorziehen. Das Apartment wird jedoch nur noch selten genutzt und steht die meiste Zeit leer. Wirtschaftskrise, Sie verstehen …«
»In welcher Branche sind Sie tätig?«
»Das tut nichts zur Sache.«
»Also folgte Said Ihnen einfach so hierher?«
Oskar zögerte. »Fast.«
»Fast?«
»Ich habe seine Familie beschenkt, Flachbildschirm, Parabolantenne, ein Mantel für die Mutter, ein Handy für den Bruder, solche Sachen halt. So habe ich ihr Vertrauen gewonnen.«
»Sie haben ihn gekauft.«
Er schreckte zurück. »Das sehe ich anders! Aber natürlich ist jeder käuflich. Es ist nur eine Frage des Preises.«
Dem gab es von meiner Seite nichts entgegenzusetzen.
»Die Familie war einverstanden«, verteidigte sich Oskar nervös, als ich weiterhin schwieg.
»Zumindest haben seine Verwandten die Beweggründe ignoriert, weshalb Sie sich um Said bemüht haben«, berichtigte ich.
»Sie wussten, dass es ihm bei mir gut gehen würde. Vielleicht sogar besser als zu Hause.«
»Jetzt ist er tot«, entgegnete ich lakonisch.
Oskar blickte auf seine Hände, die flach auf dem Tisch lagen und zitterten.
»Sie haben ihn in dieser Wohnung untergebracht und ihn regelmäßig besucht. Zwischen Feierabend und Abendessen, nehme ich an?«
»Richtig.« Das schlechte Gewissen war ihm deutlich anzusehen. »Manchmal auch am Wochenende, wenn ich von daheim weg konnte. Ich habe mich jeweils bei ihm angemeldet. Selbstverständlich habe ich ihm ein Handy besorgt«, erklärte Oskar, mit einem Mal eifrig, als müsse er sich etwas von der Seele reden. »Ich habe ihm auch Taschengeld gegeben, nicht viel, doch genug, damit es fürs Kino reichte und er sich Kleider und CDs kaufen konnte. Zu seinem Geburtstag habe ich ihm ein Laptop geschenkt. Er hat sich darüber gefreut wie ein Kind.« Oskar lächelte still in sich hinein. »Was er irgendwie auch war. Doch er hat sich rasch gelangweilt. Er hat begonnen … rumzustreifen. Immer öfter war er nicht da, wenn ich nach der Arbeit in die Wohnung kam, obwohl ich mit ihm verabredet war. Er blieb nächtelang weg. Zu Beginn habe ich ihn gesucht, im Niederdorf, in den Bars und Spelunken, doch es gelang mir nie, ihn aufzuspüren. Eines Tages hat er mir eröffnet, dass er mich verlassen werde. Dass ich ihn nur ausnutze und mich nicht um ihn kümmere. Für mich kam das aus heiterem Himmel, ich habe nichts geahnt.« Wie ein geschlagener Hund sah mich Oskar an. »Am nächsten Abend war er weg.«
»Und Sie haben ihn einfach so gehen lassen? Brachte Sie das nicht auf? Fanden Sie ihn nicht undankbar?«
»Natürlich. Im ersten Moment war ich am Boden zerstört, doch dann wurde ich wütend. Aber ich habe ihn deswegen nicht umgebracht, wenn Sie das andeuten wollten.«
»Sie wissen, wohin er gegangen ist.«
»Er zog zu einem anderen, einem älteren Mann.«
»Vom Regen in die Traufe. Sie wissen nicht zufällig, wo dieser Mann wohnt?«
Ohne zu zögern, ratterte Oskar die Adresse hinunter. Ich notierte mir Name und Straße, während er sich verlegen wand. »Ich habe Said nur ein oder zwei Mal aufgelauert, um ihm zu folgen.«
»Ein oder zwei Mal? Ich sage Ihnen was: Sie waren krank vor Eifersucht und verletztem Stolz. Sie sind ihm nachgegangen und haben nur auf eine günstige Gelegenheit gelauert, um ihn zu erschlagen!«
»Nein! Ich schwöre Ihnen, dass ich ihn nicht getötet habe!«
»Sie haben mit einer Stange auf ihn eingedroschen, bis auch der letzte Knochen in seinem Körper zertrümmert war! Dann brachten Sie die Leiche raus aus der Stadt …«
»Hören Sie auf!«, schrie Oskar und hielt sich die Ohren zu, während die Gäste an den benachbarten Tischen die Köpfe reckten. »Hören Sie bloß auf!«
Heftig atmend hielt ich inne und beobachtete meinen Auftraggeber. Er war auf seinem Stuhl zusammengesunken, ein Häufchen Elend. Ein Mörder sieht anders aus, dachte ich, obwohl ich wusste, dass der Schein trügen konnte.
»Er kam zurück«, flüsterte Oskar in die Stille hinein.
»Was?«
»Nach ein paar Wochen hat er mich angerufen. Er hat geweint und beteuert, wie leid es ihm tue.«
»Und Sie haben ihn wieder in Ihr Leben gelassen.«
»Ich habe ihn geliebt.«
»Und er Sie?«
Oskar starrte in seine leere Kaffeetasse. »Es ging nicht lange gut. Er wollte immer mehr Geld. Er sagte, er könne sich kaum was leisten. Doch mir war es nicht möglich,
Weitere Kostenlose Bücher