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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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kaschieren versuchte, indem er das dünne blonde Haar seitlich darüberkämmte. Auf seinem zitronenfarbenen Hemd prangten gut sichtbar zwei glitzernde Buchstaben, die für ein exorbitant teures Modelabel aus Italien standen.
    »Nils, das ist Vijay. Er ist Privatdetektiv.« Kathi lächelte erwartungsvoll.
    Ich nickte dem Jungen zu, doch in Nils’ blasiertem Gesichtsausdruck regte sich nichts. Er schaffte es, irgendwie durch mich hindurchzugucken, bevor er die Nase rümpfte und auf dem Absatz kehrtmachte.
    »Er hat an der letzten Castingshow des Schweizer Fernsehens teilgenommen!«, erklärte Kathi lautstark, als wäre nichts geschehen. Vielleicht verhielt er sich immer so.
    »Wow!«, schrie ich zurück und Kathi, die meinen Sarkasmus geflissentlich überhörte, lächelte stolz.
    »Dann war ich ihm wohl zu wenig prominent. Die richtigen Stars bewegen sich ja gern unter ihresgleichen!«
    Schlagartig verfinsterte sich Kathis Miene. »Weshalb musst du immer so bösartig sein?«
    Ich fasste es nicht! Ausgerechnet eine Fag Hag machte mir diesen Vorwurf!
    »Hast du eben mitbekommen, wie der mich angesehen hat?«, empörte ich mich.
    »Du musst das verstehen!«, versuchte Kathi, mich zu besänftigen und zog mich in eine Nische, wo die Musik etwas weniger laut war und wir uns nicht mehr anzuschreien brauchten. »Es gibt so viele Leute, die plötzlich etwas von ihm wollen, jetzt da er berühmt ist. Das macht misstrauisch. Er ist sehr vorsichtig mit neuen Bekannten.«
    Ich stieß verächtlich die Luft aus. »Berühmt! Das ist das tragische an der hiesigen Showszene: Sie ist so übersichtlich, dass jede Beinahe-Ex-Vize-Miss, die es ohne fremde Hilfe gschafft hat, einen Flug nach Los Angeles zu buchen, gleich eine Doppelseite in den Illustrierten bekommt! Und wenn einer in Botox marinierten Jetsetterin jenseits des Verfallsdatums das Hündchen verstirbt, landet sie am nächsten Tag gleich in den Schlagzeilen, erschütternde Bilder von der Kremierung des Viechs inklusive.«
    Kathi grinste. »Ich fand das Chihuahua-Barbeque auch ein wenig widerlich. Aber wie verzweifelt mediengeil das auch gewirkt hat: Gelesen hat es jeder. Und wir haben doch richtige Showgrößen, Roger Federer zum Beispiel …«
    »Die wandelnde Litfaßsäule?« Ich war immer noch aufgebracht. »Gibt es eigentlich nur diesen einen Werbeträger in der Schweiz? Wohin man blickt, von überallher grinst einem dessen Knautschgesicht entgegen, da kriegt doch jeder vernünftige Mensch Verfolgungswahn. Schokolade, Uhren, Kreditkarten, Kaffeemaschinen, Rasierklingen, Versicherungen – der macht einfach vor nichts halt. Und jede Tagesschau umrahmen mindestens drei Werbespots mit ihm, manchmal wird sogar noch ein zusätzlicher vor dem Wetterbericht platziert. Das ist ja wie in Nordkorea!«
    Kathi lachte. »Eigentlich darf man über den nichts Freches sagen, das ist so ’ne Art heilige Kuh für uns Schweizer. Hüte also deine Zunge!«
    »Ich weiß, ich weiß. Mit heiligen Kühen kenn ich mich bestens aus, ich bin da vorbelastet. Ich werde also sofort verstummen und in inbrünstigen Gebeten den Marketinggott um Verzeihung bitten. Aber richte in der Zwischenzeit deinem Nachwuchsstar aus, dass Hochmut in der Regel vor dem Fall kommt.«
    Ich hatte ja keine Ahnung, wie recht ich damit behalten sollte.
    »Ach, Vijay.« Kathi legte mir seufzend die Hand auf den Arm und kehrte dann wieder auf die Tanzfläche zurück, wo ihre Bubenschar herumtänzelte. Ich sah ihr zu, wie sie die Arme über den Kopf hochstreckte, die Hüfte vorschob und sich im Takt der Musik in die freudig aufkreischende Gruppe hineinwiegte.
    Die Party war in vollem Gange, doch irgendwie sprang die ausgelassene Stimmung nicht auf mich über. Obwohl ich bereits einige Bier intus hatte, erfasste mich weder die sonstige Gelöstheit, noch zog es mich wieder mit dieser altbekannten Dringlichkeit zur Bar, sobald die Flasche halb leer war.
    »Wenn du was brauchst …«, hatte Kathi mich wissen lassen und vielsagend auf ihre Handtasche geklopft, bevor sie gegangen war, doch ich hatte abgewinkt. Ich wollte morgen Mittag meine Eltern zum Flughafen fahren und da war es eher unvorteilhaft, wenn ich selbst noch am Fliegen war.
    Während ich etwas gelangweilt an meinem Löwenbräu nuckelte, beobachtete ich einen jungen bärtigen Mann, der an der Theke lehnte und sehnsüchtig den Hals reckte. Einer mehr, der verzweifelt Ausschau nach dem goldgezäumten Schimmel hielt, auf dem sein Prinz oder seine Prinzessin für heute Nacht

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