Uferwechsel
den Schrank packten, befiel mich ein schlechtes Gewissen, wenn ich in die Nähe eines Fitnessstudios kam.
Nur so konnte ich mir erklären, weshalb ich mich schuldig fühlte, als ich die Treppe des Gebäudes an der Ausstellungsstrasse hinunterstieg, an dessen Fassade die vertikale Aufschrift Bananen auf die Westindische Bananencentrale hinwies, die ab 1926 hier untergebracht gewesen war. Längst wurde in dem denkmalgeschützten Haus nicht mehr mit Südfrüchten gehandelt. In den oberen Geschossen residierte eine Berufsschule, im Keller schwitzten Sportbegeisterte im Fitnessklub Vif .
Kaum hatte ich das in hellen Farbtönen gestrichene Gewölbe betreten, wurde ich von einer attraktiven Dame mit sportlicher Figur, unvermeidlicher Solariumbräune und genau so unvermeidlich aufblondierter Haarpracht in Empfang genommen.
»Ich habe keine Safari gebucht«, bemerkte ich mit Blick auf ihr Outfit, welches im Dschungel als perfekte Tarnung durchgegangen wäre – oder sie zur Trophäe jedes Wilderers gemacht hätte. Denn eine so gewagte Kombination aus Zebrastreifen, Leopardenfell und Tigermuster hatte ich seit den Achtzigern nicht mehr an einer einzigen Person gesehen. Dass es überhaupt noch Geschäfte gab, die solche Kleidungsstücke verkauften, erstaunte mich. Doch mir blieb keine Zeit, mir weitere Gedanken zum modischen Statement der Dame zu machen, denn die war der Meinung, ich sei ein potenzielles Neumitglied, bereits eifrig vorausgegangen, um mich durch den Klub zu führen.
Hastig rief ich sie zurück, allein schon vom Anblick der Gerätschaften abgeschreckt, mit denen der Raum vollgestellt war. Teilweise waren Menschen in den Maschinen einge klemmt, die zusammengekniffenen Münder, das unterdrückte Keuchen und die hervorquellenden Augäpfel in den schweißbedeckten Gesichtern verrieten Höllenqualen. Grausliche Erinnerungen an das Museum of Torture stiegen in mir hoch, eine Wanderausstellung über mittelalterliche Foltergeräte, die ich einst in Prag besucht hatte und die auch kurz in einem der Hannibal-Lecter-Filme zu sehen war. Damit war wohl mehr als genug gesagt.
Mit einem bedauernden Blick auf meine Statur machte die Inhaberin des Klubs kehrt und ich gab ihr den Grund an, weshalb ich hier war. Hilfsbereit deutete sie in den hinteren Teil der Sportanlage, der durch eine Glasscheibe mit aufgeklebtem Sichtschutz vom Rest des Studios abgetrennt war.
Bestialische Schreie drangen aus dem Raum und legten nahe, dass sich hinter der Scheibe entweder ein Gebärsaal befand oder gerade ein Hardcoreporno gedreht wurde. Beides traf nicht zu, wie ich etwas enttäuscht feststellte, als ich den Hantelraum betrat. Stattdessen fand ich einen massigen Mann vor, dessen Brustmuskeln Pamela Andersons BH zum Fingerhut degradiert hätten. Brüllend stemmte er gerade die Stange mit den enormen Gewichtsscheiben ein letztes Mal hoch und ließ sie danach mit dumpfer Wucht auf die vorgesehenen Halterungen knallen. Dann richtete er sich schwer keuchend auf der Bank auf, die halb unter die Vorrichtung geschoben war.
»Thomas?«, fragte ich zweifelnd.
Immer noch nach Luft schnappend, reckte der Muskelprotz das Kinn in Richtung eines im Vergleich zu ihm geradezu schmächtigen Jungen, der sich vor einer Spiegelwand mit zwei Hanteln abmühte. Als ich näher trat, ließ er diese zu Boden sinken und betastete eingehend seinen Bizeps. Das Resultat schien ihn nicht zufriedenzustellen. Mit verbissener Miene hob er die Gewichte erneut hoch, während ihm das blonde Haar feucht in der Stirn klebte.
In sicherer Entfernung wartete ich ab, bis er mit dem Satz fertig war, dann stellte ich mich vor.
»Privatdetektiv, ja?« Er musterte mich mit einem Gesichtsausdruck, der sich zwischen Neugier und Belustigung nicht entscheiden konnte.
»So ist es. Ich muss mit dir über Kevin reden.«
Seine Miene verdüsterte sich. Schroff wandte er sich ab und griff wieder nach seinen Hanteln. Mir fiel auf, dass er gar nicht so schmächtig war, wie ich zuerst gedacht hatte. Das ärmellose und weit geschnittene T-Shirt, das um seinen Körper schlabberte, hatte ihn so erscheinen lassen, doch aus der Nähe war zu erkennen, dass er ziemlich durchtrainiert war.
»Ihr seid befreundet gewesen?«
Er machte eine vage Kopfbewegung, während er die Hanteln unablässig anhob und senkte. »Wir haben uns ab und zu im Spot25 gesehen.«
»Wo?«
Mit einem Seitenblick auf den Muskelprotz, der immer noch auf der Bank saß und hechelte, senkte er die Stimme. »Im schwulen
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