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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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Herausforderung gewesen.« Kathi lächelte schief, dann wurde sie wieder ernst. »Und dann springt er einfach von einem Viadukt?«
    »Darüber wollte ich mit dir sprechen. Nils hatte so viele Pläne und heute sollte zudem seine erste Sitzung bei dieser Organisation stattfinden. Ich glaube einfach nicht an einen Unfall.«
    »Mord?« Kathi sah mich mit großen Augen an. »Du hältst immer noch daran fest?«
    »Kennst du jemanden, der Grund gehabt hätte, ihm die Salbe unterzujubeln?«
    Kathi überlegte. »Bis vor zwei Minuten noch hätte ich gesagt, ich wüsste über alles Bescheid, was Nils betraf. Aber jetzt, wo du mir von diesen Umpolungsplänen erzählt hast, bin ich mir nicht sicher, ob es da nicht noch mehr dunkle Stellen in seinem Leben gab. Dinge, von denen ich nichts geahnt habe.«
    »Gab es einen Liebhaber?«
    Kathi wiegte den Kopf. »Liebhaber würde ich nicht sagen. Jedenfalls nichts Ernstes. Aber er hat sich in letzter Zeit hin und wieder im Internet verabredet. Mit jemandem namens Silberwolf.«
    Es war, als hätte sie mir einen Stromstoß versetzt. »Was weißt du von ihm?«, stieß ich hervor und schüttelte sie.
    »Au, du tust mir weh!«, quäkte Kathi und versuchte, meine Hände von ihrem ohnehin engen Blusenkragen wegzureißen.
    »Tut mir leid«, murmelte ich und ließ meine Arme sinken. Kurzfristig hatte ich mich nicht mehr unter Kontrolle gehabt, als ich den Namen des Unbekannten gehört hatte, nach dem ich schon so lange vergebens suchte. Je länger ich mich damit beschäftigte, desto überzeugter war ich, dass er der Schlüssel zur Aufklärung des Mordes an Said war. Denn alle anderen Spuren führten ins Leere.
    Doch jetzt, da ich erfahren hatte, dass auch Nils mit ihm in Verbindung gestanden hatte, hatte ich nach den ominösen Tollkirschen einen zweiten Hinweis in der Hand, dass die beiden Fälle zusammenhängen könnten.
    »Nils hat mir von ihm erzählt, nur …« Sie biss sich auf die Unterlippe.
    »Was?« Ungeduldig wartete ich darauf, dass sie den Satz fortführte.
    »Na ja …«
    »Kathi!« Ich musste mich beherrschen, sie nicht erneut zu schütteln.
    »Ich hab nicht so konzentriert zugehört. Nils hatte ja immer irgendwelche Techtelmechtel und Affären. Das war zu Beginn ganz witzig und unterhaltsam, mit den Jahren begann es mich aber zu langweilen.«
    »Deswegen hast du nur noch halb hingehört, wenn er etwas in der Richtung erzählt hat.«
    Kathi nickte zerknirscht.
    »Du weißt also nichts über diesen Silberwolf?«
    »Nur, dass er jemand Wichtiges war.«
    »Inwiefern?«
    »Ach …« Sie machte eine abfällige Handbewegung. »Bei Nils war schnell mal jemand ›ganz, ganz wichtig‹.« Sie äffte feixend seinen tuntigen Tonfall nach. »Er war geradezu promigeil«, ergänzte sie.
    »Und der Silberwolf ist ein Promi?«
    »Kein Fernsehstar oder Popsänger oder so. Das hätte ich garantiert mitbekommen. Aber sicher kein Hans Normalbürger.«
    »Otto.«
    »Hä?«
    »Vergiss es.«
    Zu Hause angekommen, startete ich das Laptop, während ich gleichzeitig die Schuhe abstreifte und die Winterjacke Richtung Sofa schleuderte. Die Information, dass der Silberwolf sowohl Said als auch Nils getroffen hatte, konnte man zwar nicht gerade einen Durchbruch nennen, die Spur war jedoch um einiges heißer geworden. In fiebriger Aufregung setzte ich mich an den Schreibtisch. Die Jagd konnte beginnen. Dachte ich.
    Eine Viertelstunde später knallte ich die geballte Faust auf die Tischplatte und musste mich beherrschen, das Laptop nicht an die Wand zu schmeißen. Meine Suche hatte erneut keinen Treffer ergeben, ebenso wenig hatte irgendjemand mit dem Benutzernamen Silberwolf mein Profil angeklickt. Ich hatte sogar begonnen, alle User einzeln zu überprüfen, obwohl das wenig Sinn machte, solange ich nicht wusste, wie der Gesuchte aussah. Nach etwa zweihundert gesichteten Kontakten hatte ich aufgegeben. Derweil quoll meine Mailbox vor einsilbigen Nachrichten über. Ich überflog die Mitteilungen und löschte alle. Eben noch hatte ich gedacht, ich sei einen entscheidenden Schritt weitergekommen, doch schon stand ich erneut am Berg. Ich erhob mich und starrte wütend auf die Straße hinunter.
    Draußen fiel immer noch Schnee. Nicht einmal mehr die Kinder freuten sich darüber. Dick eingepackt eilten sie über die Gehwege auf dem schnellstmöglichen Weg von der Schule nach Hause, kein Einziges blieb stehen, blickte zum Himmel und fing mit offenem Mund Schneeflocken ein. Das hatten sie in diesem Jahr bereits zur

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