Uhrwerk Venedig (German Edition)
solle), doch Hawthorne genoss es, die drei Straßen zu Fuß zurückzulegen. Es war eines der wenigen Privilegien, die er als Angehöriger des vatikanischen Militärs in Venedig genoss: er konnte es sich leisten, die strikten Regeln des höfischen Anstandes ohne Gesichtsverlust zu ignorieren.
Ein anderes Privileg waren die Einladungen zu »Essen im privaten Kreis«, die er regelmäßig von den führenden Familien des venezianischen Geldadels erhielt - besonders von jenen Familien, in denen Töchter im heiratsfähigen Alter vorhanden waren...
Auch das war einer der Gründe, warum er heute - wieder einmal - im »engsten Kreise« der Freunde der Familie Grimani speisen würde.
Ohne Zweifel mit Alicia di Grimani, der Tochter des Hauses, als Tischdame. Immerhin versuchte die Donna Caterina, weibliches Oberhaupt einer der fünf mächtigsten Familien Venedigs, ihn nicht für sich selbst einzufangen.
Hawthorne lächelte noch immer bei diesem Gedanken, als er an der Freitreppe des Palazzos, der Zentrale des Imperiums der Grimani, ankam. Durch die imposanten Kirschholzflügel des Portals strömten bereits die exklusiven Gäste des heutigen Bankettes, Dutzende von Adeligen in vielfarbigem, aufwendigem und jeglichen guten Geschmack verletzendem Prunk.
Im Moment schien die Mode für Männer Tuniken mit geschlitzten Ärmeln, hauteng anliegende Beinkleider, schwere, bis zum Boden reichende Überwürfe und Kappen oder Baretts vorzuschreiben, die sich in stetiger Gefahr befanden, unter dem Gewicht der sie zierenden Federn von den Häuptern zu rutschen.
Die Damen schienen jede einzelne zwei bis drei Kleider zuviel zu tragen, eingeschnürt von Gürteln und Miedern, aus welchen unten ausladende Hüften und oberhalb der mehr oder minder üppige Rest der Weiblichkeit oft nur mäßig schicklich bedeckt hervorquoll. Zudem wurde das Haar hier in Italien oft unbedeckt oder gar offen getragen, was ihn als Briten noch immer als reichlich frivol befremdete.
Musik drang aus dem Inneren des Palazzos, begleitet von in den Hausfarben der Grimanis livrierten Bediensteten, die erlesene Weine und Imbisse an die Wartenden und jene verteilten, die keine Einladung besaßen und die dennoch im vollen Hofstaat erschienen waren, in der Hoffnung, doch noch in Begleitung eines der Geladenen Einlass zu finden.
Hawthorne reihte sich notgedrungen in die Schlange der Klatsch verbreitenden und kokettierenden Prominenz ein. Was bedeutete, dass er sich sofort von einer Traube älterer Gesellschaftsdamen und deren Töchtern eingekreist sah, die sein Talent, charmant und unverbindlich zugleich zu sein, wie üblich aufs Äußerste strapazierten.
Umso erleichterter war er, als ihn Brunno di Grimani entdeckte und an den übrigen Wartenden vorbeiwinkte. Der Wachkommandant des Hauses war wie er selbst in erster Linie Soldat und erst danach Adeliger und fühlte sich, trotz seiner Zugehörigkeit zu den 16 case nuove, dem neuen venezianischen Adel, nicht sonderlich wohl auf den in diesem Hause nur allzu häufigen Empfängen. Grinsend führte er den jungen Hawthorne an den gelinde empörten Wartenden vorbei und winkte einem der Bediensteten, der dem Capitano diensteifrig Mantel und Spazierstock abnahm.
»Und was verschafft uns die Ehre Eures Besuches, Capitano? Ihr seid doch sonst nicht sonderlich darauf erpicht, Euch in die Ränke schmiedenden Fänge meiner Schwägerin und unter die missbilligenden Augen meiner Nichte zu begeben.«
»Aber ich kann auch nicht endlos vom Schlachtfeld ihres Parketts fernbleiben. Nicht ohne mir ihren Unmut zuzuziehen, und wir wissen beide, dass dies eine noch schlechtere Idee wäre, als es jene ist, sich unter dieses Volk hier zu mischen, und zu hoffen, einen angenehmen und zivilisierten Abend zu verbringen.«
Brunno klopfte ihm lächelnd auf die Schulter, was Hawthorne, obwohl selbst beileibe nicht schwächlich, nahezu in die Knie gehen ließ. »Wohl wahr, junger Mann. In beiden Punkten. Obwohl ich glaube, dass der Grund Eures Erscheinens ohnehin eher geschäftlicher als Genuss suchender Natur ist. Wenn Ihr Donna Caterina sucht, sie befindet sich im Grünen Salon in Begleitung des etwas unglücklich wirkenden jungen Künstlers.«
»Schon wieder ein neuer Protégé, Comandante?«
Brunno hob die Schultern. »Ihr kennt Caterina. Sie versucht noch immer, den großen Wurf zu landen. Und seit il Moro Sforza in Milano mit seinem Leonardo di ser Piero angibt, hat sie ihre Anstrengungen vervielfacht.«
Ich würde mich freuen, wenn Ihr
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