Uhrwerk Venedig (German Edition)
mich später des Abends von dieser Veranstaltung weg begleiten könntet. Ins ‚Ondina rossa’ vielleicht?«
Hawthorne verneigte sich kurz. »Wenn es mir möglich ist, Comandante, gern. Wenn nicht, spreche ich Euch hiermit eine Einladung für einen der nächsten Abende aus. Als Schmerzensgeld im Namen Eurer Schwägerin, gewissermaßen.«
Der Wachkommandant lachte schallend. »Ihr gefallt mir Signore Hawthorne! Bis dann also, Ihr entschuldigt mich jetzt. Eminenza Gherardo!«
Mit einem weiteren Knochen erschütternden Hieb auf Hawthornes Schulter entfernte sich der alte Offizier in Richtung des venezianischen Patriarchen, der missmutig am Rande der versammelten Gesellschaft seiner Anwesenheitspflicht nachkam.
Mit einem leichten Seufzen lockerte der Brite seine Schulter. Er wusste nur zu gut, von was Comandante di Grimani sprach. Seitdem der junge Geldadel in Norditalien florierte, versuchten sich die wohlhabenden Häuser gegenseitig im Besitz von Kunstwerken zu übertreffen. Im Allgemeinen bedeutete das, dass man horrende Summen für ausgesuchte römische, ottomanische oder aber antike Kunstgegenstände ausgab. Donna Caterina di Grimani, Lorenzo de’ Medici aus Florenz oder der Mailänder Ludovico Sforza beschritten einen revolutionär neuen Weg: Sie suchten sich im ganzen Reich junge, unbekannte und damit billige, jedoch hoch begabte Universalkünstler und ließen diese für sich arbeiten. Damit betätigten sie sich effektiv als Förderer einer ganz neuen, blühenden Kunst und Wissenschaft - und konnten ihre Hauskünstler zudem Gewinn bringend an andere Familien verleihen. Was aber noch wichtiger war: Da der Papst und die meisten Kardinäle und Bischöfe bei den großen Familien in Schuld standen, hatten die Häuser weitgehend freie Hand, woran sie ihre jungen Erfinder arbeiten ließen. Was wiederum dem Fortschritt in der Mechanik trotz der offiziellen Missbilligung des Heiligen Stuhls ungebrochenen Auftrieb gab. Das war auch der Grund, warum er, Bartholomew Hawthorne, hier in Venedig war: Um ein Auge auf die jüngsten Entwicklungen zu haben, die der Heiligen Mutter Kirche derzeit Sorgen bereiteten.
Interessanterweise war das aber auch einer der Gründe, warum er an Abenden wie diesem eingeladen wurde. Donna Caterina vertrat offenbar die Ansicht, dass es besser war, wenn er sich direkt von der Unbedenklichkeit ihrer Schützlinge überzeugte.
Was das betraf: Der Anlass des heutigen Bankettes wardie Vorstellung eines neuartigen, automatischen Musikschrankes aus der Werkstatt der neuesten Entdeckung Donna Caterinas, einem jungen Mechaniker und Buchdrucker namens Ottaviano oder etwas so Ähnliches. Hawthorne atmete tief durch und bahnte sich seinen Weg in Richtung des Grünen Salons.
So sehr er sich auch Mühe gab, es blieb ihm nicht erspart, auf dem Weg noch drei oder vier der adeligen Damen der Gesellschaft gewissermaßen in die Arme zu laufen. Die Donnas sahen ihn, obwohl er ihnen persönlich etwas zu wenig elitär erscheinen mochte, als Spross einer der angesehensten britischen Offiziersfamilien, der darüber hinaus nicht nur wohlhabend und leidlich gut aussehend war, sondern auch über beste Verbindungen in die Heilige Stadt verfügte. Kein Wunder also, dass sie es nicht müde wurden, ihre heiratsfähigen Töchter oder Nichten als lohnende Partien anzupreisen.
Von der letzten befreite ihn schließlich einer der beiden notorischen Schwerenöter der venezischen Gesellschaft. Mit einer blumigen Verneigung (und einem Zwinkern in Hawthornes Richtung) ergriff er den Arm des soeben angepriesenen Mädchens und entführte die kokett Kichernde unter den Augen ihrer entrüsteten Tante in Richtung der Tanzfläche.
Der junge Offizier nutzte die Ablenkung, um sich endlich in die Nähe der Gastgeberin zu flüchten.
»Ah! Signore Hawthorne! Kommen Sie, kommen Sie! Ich möchte Ihnen den Stern und Mittelpunkt unseres Abends vorstellen!«
Eine große, fein manikürte und mit einem gefährlichen Arsenal an schweren Ringen bestückte Damenhand wirbelte ihn herum; Donna Caterina hatte ihn, wie es ihre Art war, zuerst entdeckt.
Hawthorne neigte sich über die dargebotene Hand und hauchte einen artigen Kuss darüber, wobei er innerlich aufstöhnte. Sein Glück aber auch wieder! In Begleitung der Donna befanden sich neben einem schüchtern und verloren wirkenden jungen Mann (unzweifelhaft dem Künstler) ausgerechnet die drei Personen aus Venedigs Elite, die ihm mit der größten Ablehnung gegenüberstanden.
Der
Weitere Kostenlose Bücher