Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
bewegte, wie sie lachte – und wie sie mir diese eindeutigen Blicke zuwarf, die jeden Kerl aus den Schuhen heben mussten. Bereits 1984 hatte ich sie so kennengelernt: Carmen, ein Teilzeitmodel, deren Eltern Blumengroßhändler waren. Am 10. November 1986 heirateten wir in Hemer, unsere gemeinsame Wohnung in der Schäferstraße in Rheydt hatten wir da längst bezogen, dort machte ich ihr schließlich auch den Heiratsantrag. Trotz all der furchtbaren Momente, die wir später erleben mussten: Damals war ich schwer verliebt, die Hochzeit war das i-Tüpfelchen obendrauf. Probleme gab es nur mit unseren Eltern. Ich konnte es mir nicht erklären, aber mein Vater konnte Carmen von Anfang an nicht leiden. Meiner Mutter sagte er kurz nach der Hochzeit, dass diese Beziehung bestimmt nicht ewig halten würde. Mich hat das damals verletzt, später wusste ich, dass Ernst Borowka wieder mal den richtigen Riecher hatte. Gleichzeitig hatte ich große Probleme, mit Carmens Mutter warm zu werden. Aus meiner Sicht war sie die klassische Schwiegermutter, die ihre einzige Tochter nicht an so einen »Fußball-Proleten« verlieren wollte.
Carmen war Luxus gewöhnt, ihr Vater hatte mit Blumen sehr viel Geld verdient. Doch bereits in den ersten Jahren unserer Beziehung ging der väterliche Großhandel pleite – das Geld war weg, der Wunsch nach Luxus blieb. Als Fußballer, wenn auch nicht Fußballmillionär, konnte ich ihr eine gewisse Form des Wohlstands durchaus bieten. Ohne dabei das Geld aus dem Fenster zu werfen, schließlich war ich von meinen Eltern zur Sparsamkeit erzogen worden. Wir kauften uns einen BMW (mit dezenterer Lackierung), später einen Mercedes. Wenn wir Lust und Laune hatten, ließen wir uns im Steakhaus oder beim Italiener verwöhnen, das war es dann aber auch schon an Extravaganzen. Als die Saison 1986/87 begann, war ich mit meinem Leben jedenfalls vollauf zufrieden.
Inzwischen war ich 24 Jahre alt, immer noch ein junger Mann, doch als Fußballspieler bereits ein Routinier. Die Lehrjahre hatte ich überstanden, in der Mannschaft und beim Trainer hatte mein Wort Gewicht. Ich genoss meinen Aufstieg in der Mannschaftshierarchie in vollen Zügen, schließlich hatte ich dafür hart arbeiten müssen. Jetzt war ich derjenige, der sich über die Probespieler in der Abstellkammer lustig machen konnte, der die jungen Herausforderer im Training über die Außenlinie grätschte. Ich war hart, manchmal sogar unfair, aber: Hatte ich nicht die gleiche harte Schule durchlaufen? Und siehe an, was aus mir geworden war! Ich stellte mein, zugegeben asoziales, Verhalten damals nicht infrage. So waren nun einmal die Spielregeln.
Mein Verhältnis zu Jupp Heynckes war wieder vollständig repariert, und ohne es mir direkt mitzuteilen, hatte mich der Trainer gar in seinen elitären Zirkel der Führungsspieler aufgenommen. In vielen Einzelgesprächen diskutierten wir über die Mannschaft, den kommenden Gegner oder die Ziele der laufenden Saison. Gleichzeitig übertrug er mir mehr Verantwortung, aus dem reinen Zerstörer in der Defensive formte er mich nach und nach zu einem ersten Ideengeber aus der Abwehr, der die Mitspieler mit schnellen Pässen oder klugen Flanken bediente. Bei Freistößen aus der Distanz war ich nun die erste Wahl, meiner Schussstärke sei Dank. Unsere Variante war denkbar einfach: An der Mauer vorbeilegen, Vollspann drauf. Hört sich simpel an, ist es auch, aber meiner Meinung nach noch immer die beste Möglichkeit, zum Torerfolg zu kommen. Die Beförderung zum Distanzschützen Nummer eins hatte auch einen anderen entscheidenden Vorteil: Durfte ich mich in den Jahren zuvor noch selbst in die Mauer stellen, war ich es nun, der den Ball an der menschlichen Wand vorbeitreten sollte. Dass mir das nicht immer gelang, muss ich vielleicht nicht erwähnen, wohl aber die bedauernswerten Nachwuchsspieler, die die Trainingseinheiten mit hübschen Ballabdrücken auf dem Oberschenkel beenden, mitunter sogar vom Platz getragen werden mussten.
Innerhalb der Mannschaft war ich die soziale Leiter bis fast nach ganz oben geklettert, und wie es zu meinem damaligen Charakter passte, fühlte ich mich gleich wie der König der Welt. Dass sich mein persönlicher Absturz noch um einige Jahre verzögern sollte, lag sicherlich an zwei entscheidenden Faktoren: an Jupp Heynckes und meinem fehlenden Talent. Sobald ich im normalen Trainingsalltag zu sehr den Großkotz raushängen ließ, nahm mich mein Trainer an die Kandare. Mehr Peitsche als
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