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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Raack
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nun Ballbesitz hatte. Ein Münchener schnappte sich den Ball, warf ein und das Spiel ging weiter. Nicht für Gunnar Sauer. Im eigenen Strafraum stehend, fing er den Einwurf mit den Händen, marschierte zum Schiedsrichter und forderte einen Einwurf für Werder. Was sollte der gute Joachim Kautschor aus Eschweiler machen, er zeigte auf den Punkt, Elfmeter für die Bayern. Ich selbst stand nur wenige Meter entfernt und wusste nicht, ob ich mich kaputtlachen oder Gunnar den Hals umdrehen sollte.
    Ebenfalls ein Unterhaltungskünstler war Jonny Otten, mit dem ich auch heute noch befreundet bin. An Jonny war ein Zirkusakrobat verloren gegangen. Gleich im ersten Training zeigte er mir sein spezielles Kunststück: Auf der Torlinie stehend sprang er aus dem Stand in einen Scherenschlag und berührte dabei mit den Fußspitzen die Latte. Und auch im Spiel war Jonny immer und überall: Drosch ich den Ball lang nach vorne auf seine linke Seite, konnte ich mir sicher sein, dass er ihn noch erwischen würde. Und dann war da noch ein gewisser Thomas Schaaf. Ein gewissenhafter Arbeiter in der Defensive, immer ruhig, immer sachlich – wenn er nicht gerade die Neuzugänge mit dem Schnapstablett begrüßte! Thomas glich mir in seiner Spielweise am ehesten: Auch er war kein begnadetes Talent, aber sehr ehrgeizig und willensstark. Was Otto von ihm verlangte, das setzte Thomas auch um. Wie ich ihn da heute an der Außenlinie als Werder-Trainer stehen sehe, konzentriert, beinahe stoisch, erkenne ich den Fußballer Schaaf wieder. Für mich als Neuling waren Jonny, Rune, Gunnar oder Thomas ein Geschenk: Auf diese Typen konnte man sich zu 100 Prozent verlassen.
    Wir begannen diese Saison als krasser Außenseiter auf den Meistertitel, ehrlich gesagt, rechnete niemand außerhalb von Bremen damit, dass wir mit den Spitzenmannschaften würden mithalten können. Vor allem die Abgänge von Libero Bruno Pezzey (der Jahre später viel zu früh verstarb) und Rudi Völler, der bei Werder zu einem Topstar gereift war, schienen insbesondere die Presse verwirrt zu haben. »Antreten zum Abtackeln«, lautete die berühmte Überschrift eines »Stern«-Artikels, ein Bericht unter vielen, der Werder Bremen noch vor dem ersten Saisonspiel zur grauen Maus der Liga abstempelte. Dass wir selbst uns nicht von diesem Pessimismus anstecken ließen, lag natürlich an Otto Rehhagel. Er verstand es, jedem seiner Spieler in ausführlichen Einzelgesprächen das Gefühl zu vermitteln, ein wichtiger Baustein in seinem Werder-Konstrukt zu sein. Wenn dann am Spieltag doch wieder nur elf Spieler spielen durften, gab er einen seiner Rehhagel-Klassiker zum Besten: »Ich habe euch doch alle lieb! Aber ich darf nun einmal nur elf von euch aufstellen …« Wir konnten ihm nicht böse sein. Ich schon gar nicht, denn von Beginn an war ich bei Otto gesetzt. Für Verwirrung sorgte bei mir lediglich die vergleichsweise laxe Vorbereitung. Hatte ich unter Jupp Heynckes jahrelang ein straffes Fitnessprogramm durchlaufen, war das Training bei Rehhagel nicht mal halb so intensiv. Das musste es auch gar nicht, Ottos Genialität bestand darin, aus verschiedenen Charakteren die richtige Mischung zu finden – die Ergebnisse gaben ihm recht. So einen Zusammenhalt wie in Bremen hatte ich vorher noch nicht erlebt.
    Regelmäßig gingen wir gemeinsam Essen oder Tennis spielen (was für »echte« Tennisspieler ein furchtbarer Anblick gewesen sein muss), Geburtstage wurden in unserem Stammlokal »Die Butze« gebührend gefeiert. Ich glaube, ich liege nicht vollkommen falsch, wenn ich behaupte, dass solch ein kumpelhafter Zusammenhalt für heutige Bundesligamannschaften absolut utopisch ist. Die angenehmen Trainingsbedingungen und der hohe Wohlfühlfaktor abseits des Rasens hätten eine Mannschaft auch mit der Zeit verweichlichen können, aber diese Gefahr war mit diesen Spielern nicht gegeben. Wir dankten unserem Trainer das warme Nest, das er uns in Bremen gebaut hatte, indem wir uns am Wochenende auf dem Platz zerrissen. Unter der Woche ein entspannter Haufen, wurden wir an Spieltagen zu einer gut geölten Maschine, für jeden Gegner auf der Welt unangenehm zu spielen. Unter diesen Voraussetzungen begann meine erste Saison bei Werder Bremen. Sie sollte noch besser enden, als sie bereits angefangen hatte.
    Tagesbericht, Fachklinik Fredeburg
    31. März 2000
    Das Hauptthema in den Gesprächen heute waren die vielen Abbrüche in den vergangenen Tagen. Es gab verschiedene Meinungen. Meine Meinung

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