Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
hechelte ich an Hannigan vorbei, der gelassen mit einer Stoppuhr und der Trillerpfeife im Mund an der Bande lehnte. Auf dem Zahnfleisch kroch ich anschließend in mein Hotel und schlief noch in meinen Klamotten ein. Die erste Prüfung hatte ich bestanden.
Am nächsten Morgen tauchte ich wieder an der Elland Road auf. Diesmal waren auch die anderen Spieler vor Ort. Fasziniert beobachtete ich die genauen Abläufe vor dem Training. Schon zwei Stunden vor den ersten Übungen bereiteten die Nachwuchsspieler alles vor: Sie schleppten die Tore auf den Platz, pumpten die Bälle auf, legten den Stars die Trainingskleidung und die Schuhe zurecht. Mir gefielen diese englischen Fußballtraditionen auf Anhieb. Vor dem Training nahm mich Howard Wilkinson für ein kurzes Gespräch zur Seite. Er erklärte mir, dass er auf der Suche nach einem erfahrenen Mann für die linke Abwehrseite sei, jemand, der seiner Mannschaft für die letzten Spiele der Saison kurzfristig weiterhelfen konnte. »Können Sie sich das vorstellen, Uli«, fragte der Coach. »Of course«, antwortete ich mit meinem gebrochenen Schulenglisch.
In den Trainingseinheiten schlug ich mich recht wacker und schon nach wenigen Tagen zeigte sich, dass meine Spielweise durchaus zu Leeds passte. Meine knüppelharten Zweikämpfe imponierten den Briten, für das damals noch gepflegte kick and rush war ich mit meiner Zweikampfstärke und dem harten Schuss wie gemacht. Hier im Norden Englands wollte ich den Neubeginn starten und den Mist der vergangenen Monate hinter mir lassen! Doch der deutsche Alltag verfolgte mich bis auf die Insel. Als ich am dritten Tag in die Kabine von Leeds kam, hatte jemand einen Zeitungsausschnitt aus der englischen Presse über meinen Platz gehängt. Eine halbe Seite widmete sich dem möglichen Neuzugang aus Deutschland. Die Schlagzeile lautete: »Borowka, the Bad Boy from Germany: He crashed his car and beat his wife!« Beschämt riss ich die Zeitung von meinem Spind. Doch die Kollegen grinsten nur, sie hatten es nicht böse gemeint. Scheinbar hatten sie nichts dagegen, den »Bad Boy from Germany« schon bald in ihrer Mannschaft zu haben.
Am 20. Januar 1996 fuhr ich mit Leeds United zum Auswärtsspiel beim FC Liverpool an die Anfield Road. Allerdings nur als Zuschauer. Gemeinsam mit den Reservespielern reiste ich der ersten Mannschaft in einem Bus hinterher und sah meine neue Truppe mit 0:5 untergehen. Liverpool hatte damals mit Ian Rush, John Barnes und Robbie Fowler ein großartiges Team zusammen. Besonders beeindruckt war ich allerdings von Neil, genannt »Razor«, Ruddock, einem 1,88 Meter großen Ungetüm in Liverpools Abwehr. Wo der Junge hintrat, wuchs kein Gras mehr. Respekt! Doch was mich an Liverpool wirklich faszinierte, war das Flair in diesem legendären Stadion. Hier konnte man wirklich auf jedem Quadratmeter Fußball riechen, schmecken, erleben. Als der »Kop« das erste Mal zum vielköpfigen Gesang anstimmte, bekam ich eine Gänsehaut. Meine verkorkste Ehe, mein leeres Haus, der Porsche, die Stammkneipe – all das war in diesem Moment ganz weit weg.
Sieben Tage blieb ich in Leeds, trat in einem Spiel mit der zweiten Mannschaft unter Wettkampfbedingungen an und machte meine Sache so gut, dass mich Howard Wilkinson vor meinem Rückflug nach Deutschland noch einmal in sein Büro bat. »Uli, das passt alles, wir können dich wirklich gut gebrauchen. Flieg nach Hause, löse deinen Vertrag auf und dann komm wieder.« Seine Konditionen: ein Halbjahresvertrag für umgerechnet 50000 DM monatlich plus Haus und Auto. Bei entsprechend guten Leistungen stellte mir Wilkinson sogar einen längerfristigen Vertrag in Aussicht. Der Rettungsanker war ausgeworfen, jetzt musste ich nur noch zupacken.
Zurück in Bremen stürmte ich gleich am Montagmorgen das Büro des Managers. Ich erzählte ihm und dem Vizepräsidenten vom Interesse aus England und bat sie, ihr Versprechen einzulösen und mich mit sofortiger Wirkung ablösefrei gehen zu lassen. Doch nun musste ich einen meiner schlimmsten Momente als Profifußballer erleben. Plötzlich verlangten sie eine Ablöse von 250000 DM für mich! Ich fragte noch einmal nach. Sie blieben dabei. Von einem angeblichen Versprechen wollte niemand mehr etwas wissen.
Nachdem ich neun Jahre meine Knochen für diesen Club hingehalten, nachdem ich Meisterschaften und Pokale gewonnen, nachdem ich literweise Blut für Werder Bremen vergossen hatte, fielen sie mir in einer schlimmen Phase meines Lebens in den
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