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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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gemein.
    Das ist eine Riesengemeinheit. Aber nur der Schwabe kann mit so einem Vorwurf leben. Nur der Schwabe – ned der Oberbayer …
    Der würde Sie umbringen. Ist Ihnen der Stuttgarter Schwabe oder der Münchener Bayer näher?
    Von der Sprache her ist es der Stuttgarter. In den letzten 200 Jahren, seit 1805, hat sich aber schon viel an Beziehung zwischen Bayerisch-Schwaben und Altbayern und Franken getan. Gar keine Frage! Und Stuttgart ist uns ein bisschen fremd geworden. Man kommt nach Stuttgart ned so arg oft. Die herrlichste Geschichte, die ich mit Stuttgart erlebt habe, war, als ich einmal, 1981, von München nach Hannover geflogen bin und plötzlich denke ich mir: »Herrschaftszeiten, Zigarren bräuchten sie nicht gerade rauchen!« Damals durfte man noch rauchen im Flugzeug. Dann aber stellte ich fest: Es raucht gar keiner! Der Rauch kam aus der Turbine, ein ungeheurer Qualm, der in die Kabine strömte, weil der linke Motor ausgefallen war. Die Besatzung war natürlich aufgeregt. Bei Würzburg, in Kitzingen, haben wir dann eine Notladung gemacht. Gott sei Dank kamen wir gut runter. Beifall für den Piloten, dann Stille. Jeder hat seinem Herrgott gedankt – und dann höre ich den Ruf eines Württembergers: »I hab älleweil scho gsagt: Man sott’ über Schtuggard ned nausganga.« 3 Das fand ich so gut! »Man sott’ über Schtuggard eben ned nausganga.«
(Beide lachen.)
    Aber wir müssen festhalten: Noch nie ist ein Schwabe bayerischer Ministerpräsident geworden.
    Das ist wahr. Aber Parteivorsitzender der CSU.
    Sie wollten es ja werden und wurden auf unschöne Weise verhindert. Hat Sie das getroffen?
    Nicht politisch. Aber es war vielleicht ein Fehler von mir, aus der Bundespolitik in die Landespolitik wechseln zu wollen. Ich wusste nach Streibls 4 Rücktritt nicht: Mein Gott, was ist alles noch los? Was kommt noch alles auf uns zu? Wenn damals Alois Glück 5 die Chance gehabt hätte, Ministerpräsident zu werden, dann hätte ich keine Sekunde darauf verschwendet, mich zu bewerben. Bei Stoiber 6 war ich ein bisschen skeptisch. Aber er hat es nicht schlecht gemacht. Und im Nachhinein bin ich froh, dass ich im Bund geblieben bin – die deutsche Einheit und der Euro waren große Projekte.
    Sie kommen, wie Alois Glück, aus einem Milieu, das nicht großbürgerlich war?
    Nein. Der Vater war Maurerpolier und kleiner Landwirt mit 15 Tagwerk.
    Da mussten Sie auch körperlich mit anpacken?
    Ich musste viel arbeiten. Es gibt keine Arbeit in der Landwirtschaft, die mir fremd ist.
    Haben Sie sich damals geniert als Oberschüler?
    Dann und wann hat es wehgetan, wenn mich Schüler aus Städten als »Bauer« bezeichnet haben. Aber ich habe sehr schnell mein Selbstbewusstsein so stark gepflegt, dass ich denen mit 13, 14 ebenbürtig war. Und dann in manchen Bereichen mehr gewusst habe als die. Und am Schluss habe ich die Abiturrede gehalten – und kein Städter.
    Wie erklären Sie sich das?
    Ach Gott – ich war neugierig. Und ich hatte gute Menschen in meiner Nähe. Es gab bei uns ein heimatvertriebenes Oberlehrer-Ehepaar aus dem Sudetenland und dessen Sohn, der aus dem Krieg kam und in Erlangen studierte. Die haben meinen Eltern, vor allem meinem Vater, beigebracht: Schicken Sie den Bub auf die Schule. Die haben gesehen: Man kann uns alles nehmen, außer dem, was wir gelernt haben. Mein Vater war ein g’scheiter Mann. Und hat sich gegen die Lehrer, gegen den Pfarrer und gegen meine Mutter durchgesetzt und hat zugestimmt – weil er schon 1950 erkannt hatte, dass eine kleine Landwirtschaft mit 15 Tagwerk keine Zukunft hat. Damals hat das kaum ein Agrarpolitiker geahnt. Meinem Vater verdanke ich das – und das hat mich selbstbewusst gemacht. Damals habe ich mir überlegt: Ich brauche doch überhaupt keinen Minderwertigkeitskomplex zu haben. Ich komme aus Ursberg. Das ist eine Prämonstratenser-Gründung aus dem Jahre 1119, vom Heiligen Norbert selber gegründet. Da war bis 1805 ein stolzes reichsunmittelbares Stift. Ende des 19. Jahrhunderts hat ein Pfarrer, Dominikus Ringeisen, weil er das Elend von behinderten Menschen auf den Dörfern nicht mehr sehen konnte, eine große Behinderteneinrichtung gegründet – noch heute die größte Einrichtung dieser Art in Deutschland. Und als ich ans Gymnasium nach Krumbach kam und alle gefragt wurden: »Wo kommst du her? Auf welcher Schule warst du?«, habe ich stolz gesagt: »Aus Ursberg!« Und dann haben alle gelacht: »Der kommt von der Deppenschule!« Das hat mich wahnsinnig

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