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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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habe ich 1997 besucht, weil er mich einfach interessiert hat. Wir haben uns in der Försterei lange unterhalten, meine letzte Frage an ihn war: »Aus der Summe eines 100-jährigen Lebens«, 101 Jahre war er damals alt, »was geben Sie der jungen Generation mit auf dem Weg?« Da sagte er: »Sagen Sie den jungen Leuten: Es ist besser, in der Zuversicht als in der Furcht zu leben.« Und das finde ich, aus der Summe eines so schwierigen, widersprüchlichen Lebens, einen beachtlichen Satz. So komme ich zu Ernst Jünger und habe ihm, zum Entsetzen der Linken, nach seinem Tod auch eine Briefmarke gewidmet – was ich als Bundesfinanzminister tun durfte.
    Sie gelten als der »Vater des Euro«. Diese Zuversicht von Ernst Jünger, die brauchen Sie auch heute, was den Euro anbelangt!
    Ich habe keine Angst um den Euro. Ich habe Angst um die Politik einiger europäischer Länder.
    Bereuen Sie es denn, dass Sie den Euro eingeführt haben?
    Im Gegenteil! Es wäre doch eine Katastrophe, wenn wir heute in Europa 30 verschiedene Währungen hätten. Wir wären ein Spielball für Amerika und China.
    Sie sind in einem Umfeld aufgewachsen, das sehr europaskeptisch ist – bis heute. Warum sind Sie zum begeisterten Europäer geworden?
    Weil ich gesehen habe, dass die Kleingeisterei in Deutschland uns nicht weiterführt. Und weil ich gesehen habe, schon als ganz junger Mensch, dass das ungeheure Gegeneinander, die Abfolge von Kriegen, uns nicht weiterbringt. Weil ich die Lesebücher meiner älteren Geschwister gelesen habe und darin die Hassgesänge gegen Frankreich »Hier ist der Rhein – wo stehen wir? Den Finger drauf – den nehmen wir!« Alles, was da an Hass war. Schon als Bub habe ich mir damals gesagt: Das kann doch nicht unsere Welt sein!
    Im Augenblick kippt die Stimmung in Europa wieder – und die Deutschen werden in eine Situation gedrängt, diejenigen zu sein, die andere kujonieren mit ihrer Sparpolitik.
    Was in den einzelnen Ländern passiert gegenüber Deutschland ist töricht. Das muss man denen auch sagen. Wir kujonieren niemanden, sondern wir helfen! Wir sind eine Nation, die im Moment sehr viel Verantwortung zeigt und auch übernimmt. Das kann man auch darstellen, das muss man auch darstellen und vielleicht noch stärker begründen. Das andere ist aber, dass wir bei alldem – und da gebe ich Helmut Schmidt recht – nicht arrogant wirken dürfen. Ich finde es gut, dass ausgerechnet Helmut Schmidt das sagt – weil er ja früher selbst so gewirkt hat.
(Er lacht.)
Aber trotzdem: Er hat recht! Wenn jemand meint, mit Griechenland sei das so wie beim Bergsteigen – wenn jemand an deinem Seil hängt und dabei ist, dich mit in den Abgrund zu reißen, musst du das Seil kappen –, dann muss ich ehrlich sagen: Ein solches Beispiel halte ich für geschmacklos und ziemlich unangemessen.
    Das haben Journalisten »södern« 14 genannt – eine neue Art von Rhetorik in der Politik.
    Es lohnt sich, seine Worte zu wägen. Der polnische Publizist und Politiker Bartoszewski hat einmal ein Büchlein mit dem Satz überschrieben: »Es lohnt sich, anständig zu sein.«
    Martin Walser hat vor einiger Zeit gesagt, er bedaure, dass im europäischen Integrationsprozess zu sehr auf die wirtschaftliche Einheit Europas gesetzt wird und zu wenig auf die kulturelle. Ist genau das die Schwäche Europas: dass zu sehr auf die Wirtschaft geschaut wird – und die Menschen darüber vergessen werden?
    Wenn ich mir vorstelle: Meine beiden älteren Kinder waren in Frankreich, in England, in Amerika, haben woanders studiert. Mein jüngster Sohn war vor einem Jahr für acht Wochen in Dourdan bei Paris bei einem Freund und der war wieder acht Wochen bei uns. Mein Gott – ist das ein Fortschritt gegenüber dem Leben meiner Eltern, gegenüber dem meiner älteren Geschwister und auch gegenüber meinem Leben! Diese Netzwerke der jungen Leute müssen wir viel stärker für Europa nutzen. Martin Walser gehört zu denen, die ich sehr gerne mag. Was er im »Springenden Brunnen« schreibt, das ist auch mein Leben, das ist auch meine Gegend, meine Region. Und er hat recht: Wir brauchen noch mehr kulturelle Begegnung in Europa.
    Zurück zu den Schwaben: Gibt es ein schwäbisches Lieblingswort für Sie?
    Wenn der schwäbische Chefarzt im Krankenhaus von Füssen bei seiner Visite zu einem Patienten kommt und den fragt: »Wie geht’s?« Dann antwortet der schwäbische Patient: »It minder«. Das heißt: »Es geht nicht schlecht. Aber so gut, dass du dich nicht weiter

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