Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
gekränkt. Damals habe ich mir geschworen: Wenn ich mal groß bin, dann sorge ich dafür, dass ihr nie mehr lacht, wenn ich sage: Ich komme aus Ursberg!
Das ist Ihnen gelungen.
Das habe ich eingehalten. Aus meinem Heimatort kommt Dr. Fridolin Rothermel, nur über die Straße war er geboren. Der war so alt wie mein Vater, promovierter Volkswirt, hat in eine Landwirtschaft hineingeheiratet und wurde 1932 Landtags- und Reichstagsabgeordneter. Von den Nazis wurde er aller Ämter enthoben und hat bis 1945 mit viel Glück überlebt. Nach dem Krieg wurde er Landrat von Krumbach und Präsident des Bayerischen und später des Deutschen Bauernverbandes. Immer in der Frühe fuhr er mit seinem Wagen an der Schule vorbei. Und da habe ich mir gedacht: »Landrat, das machst du mal. Und zwar hier in Krumbach! Und dann lässt du dich auch immer in der Frühe daheim abholen.«
… und fährst an der Schule vorbei.
Diesen Wunsch hatte ich bis 1972. Dann wurde der Landkreis Krumbach aufgelöst. Und ich musste mich nach einem anderen Berufswunsch umsehen.
Ich habe vor einigen Tagen mit Herbert Knaup, der aus dem Allgäu kommt, gesprochen. Er hat es als typisch schwäbisch bezeichnet, seinen Weg zu erkennen und auf ihn zu setzen – auch gegen Widerstände.
Das ist sehr schwäbisch. Das kenne ich auch von meinem Vater. Falsche Freundschaften gab es für ihn nicht! Lieber hat er allein gelebt, als dass er falsche Freundschaften gehabt hätte.
Der Schwabe kann gut allein sein?
Schwaben können allein sein, können auch eigen sein, können auch eigenbrötlerisch sein – das ist schon schwäbisch. Und auch sehr klar zu sagen: »Das ist mein Weg!« Bis hin zur Selbstaufgabe – zu sagen: »Das gebe ich nicht auf!«
Welche Bedeutung hat für Sie der Dialekt?
Daheim reden wir natürlich Dialekt, meine Frau den Allgäuer, mein Sohn auch weitgehend den Allgäuer, ich mehr das Mittelschwäbische, das immer ein bisschen anders bleiben wird – zwischenzeitig aber von den Allgäuern akzeptiert wird, seit ich mitgeholfen habe, die Kirche zu renovieren …
Kann man sich im Dialekt raffinierter ausdrücken?
Es gibt manche Seelenzustände, die man im Dialekt ganz besonders gut zum Ausdruck bringen kann.
Zum Beispiel?
Ich will Ihnen mal folgende Geschichte erzählen: Der Allgäuer Pfarrer kommt zum sterbenden Bauern und will ihm die letzte Ölung, das Sterbesakrament, geben. Dann fragt ihn der Bauer: »Moinsch, wenn i a Spend’ gäb’ für’d Kirch – krieg i no en bessern Platz em Hemmel?« Darauf sagt der Pfarrer: »Versprecha ko i’s et. Aber probiera dät i’s!« 7
(Er lacht.)
Da kommt der Finanzminister durch!
Das ist schwäbisch!
Augsburg war mit den Fuggern im Mittelalter die Weltwirtschaftsmetropole. München war damals völlig unbedeutend – heute ist es genau umgekehrt!
So geht es mit allen Metropolen. Keine Metropole bleibt über 1000 Jahre hinweg oben. Das ist ein Auf und Ab. Und richtig ist natürlich: München hatte das größere Glück, lag günstiger und hatte dann auch die Könige und Herrscher, die mit Residenzen und Kirchen aus München das gemacht haben, was es heute ist. Während die Fugger und Welser eine beschränkte Zeit hatten.
200 Jahre.
Immerhin, aber eine beschränkte Zeit. Während die Fürstenhäuser und die Herzogshäuser einen längeren Bestand hatten. Und sich auch aus den Schätzen der Kurpfalz bedienen konnten – das kam hinzu.
Die Fugger waren, wirtschaftlich gesehen, bisher die erfolgreichsten Schwaben.
Ohne Zweifel!
Erfolgreicher als die Württemberger Schwaben?
Das stimmt. Die Fugger waren in ihrer Zeit genial. Der Fugger, der mir besonders imponiert hat, das war Fürst Joseph-Ernst, der im Widerstand war, mit Joseph Bernhart eng befreundet, sich Gott sei Dank vor Freisler 8 retten konnte, im Zuchthaus war, dann vier Jahre Bundestagsabgeordneter und später auch viele Jahre im Bayerischen Landtag. Den traf ich 1980 in Bonn. Mein Wohnort liegt nicht weit von seinem Schloss in Kirchheim, mit einem herrlichen Zedernsaal, mit Zedernholz aus dem Libanon, der sagte dann: »Besuchen Sie mich mal.« Ich dachte mir, das wird der nicht wörtlich gemeint haben. Ein Jahr später treffe ich ihn wieder und da sagte er: »Ich lade Sie jetzt zum zweiten Mal ein. Aber dreimal lädt ein Fugger nicht ein!« Einige Tage später habe ich ihn dann besucht. Es war ein großes Glück, mit ihm einen ganzen Tag über Gott und die Welt reden zu können. Vier Wochen später starb er.
Was kann man von den
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