Ultimo
dem Mittagessen spielen sie Tarock, machen einen Spaziergang und abends lädt Zoff alle ins Kino ein, ehe sie den Abend in einem gemütlichen Lokal ausklingen lassen. Julia ist schon zu Hause, als sie heimkommen. Zoff unterhält sich noch ein wenig mit ihr. Als er dann ins Schlafzimmer kommt, ist das Licht schon abgedreht.Sie sei müde, sagt Nina und dreht ihm den Rücken zu. Wortlos rollt sich Zoff auf die entgegengesetzte Seite.
Es dauert lange, bis er einschläft.
Sonntag. Nach dem Frühstück studiert Zoff das Manuskript seines Gedichtbands, korrigiert noch einige Texte und notiert fünf Vorschläge für den Buchtitel. Dann verfasst er einen Begleitbrief an seinen Verleger, verpackt das Manuskript und legt das kleine Paket in seine Aktentasche.
Das Mittagessen bei den Schwiegereltern verläuft harmonisch, bis Franz-Josef Mellau sein drittes Glas Rotwein getrunken hat und wieder einmal eine Diskussion über Zoffs Beruf vom Zaun bricht. Verbrechern nachzujagen sei eine geistlose Beschäftigung, meint Zoffs Schwiegervater. Ein Flirt mit dem Abgründigen, dem Abschaum. Und dann noch dieser unselige Einfluss der Politik. Das sei ja nicht auszuhalten. Zoff solle sich einen ordentlichen Job in der Privatwirtschaft besorgen. Womöglich käme Nina dann auch endlich einmal zu einem Eigenheim.
Zoff hört ganz ruhig zu, zählt insgeheim bis 50, nimmt sein Weinglas und verzieht sich damit wortlos in den Garten. Der kalte Wind, der seit den Morgenstunden durchs Murtal orgelt, fährt ihm durchs Haar. Unter den Obstbäumen und auf den Beeten liegt dick das Laub, und die Blätter rascheln unter seinen Schuhsohlen, als er quer über den Rasen bis zur brusthohen Mauer spaziert. Dort starrt er auf die Kaiser Friedrich-Allee jenseits des Zauns, leert sein Glasund spürt, wie er immer deprimierter wird.
„Es ist kalt hier draußen“, murmelt plötzlich Nina hinter ihm und tastet nach seiner Hand. „Papa meint es nicht böse“, lächelt sie begütigend. „Und er mag dich.“
„Oh nein. In seinen Augen bin ich nicht gut genug für seine Tochter“, widerspricht ihr Zoff. „Womöglich liegt er damit ja auch gar nicht so falsch. Du hättest Besseres verdient, aber lassen wir das. Fahren wir nach Leoben.“
Zwei Stunden später sitzen sie bei Zoffs Vater. Das Wohnzimmer ist hoffnungslos überheizt.Zoff schwitzt, und Nina hat schon wieder Kopfschmerzen. Als sie ein Glas Wein trinken, die neu gekauften Bücher des pensionierten Kriminalbeamtenbegutachten und über Peter Handke und Christoph Ransmayrdiskutieren, verschwindet sie in der Küche und kocht Kaffee.
„Ransmayrs neues Werk wird dir gefallen“, versichert der rüstige 71-Jährige, greift hinter einen der vielen Bücherstapel zu seinen Füßen und überreicht seinem Sohn ein in Geschenkpapier gewickeltes kleines Paket.
Zoff freut sich. Sofort packterdas Buch aus und blättert darin, abernach einer Weile legt er es dann doch wieder weg und erzählt von seinen Ermittlungen. Ganz ohne von seinem Erzeuger dazu gedrängt worden zu sein. Aus freien Stücken, sozusagen. Das kommt nicht allzu oft vor.
„Du meinst also, dieser komische Herr Sudek ist dein Mann?“, meintZoff Senior nach dem Bericht seines Sohns und kann sich ein skeptisches Grinsen nicht verkneifen.
„Was die Brandanschläge anbelangt, sieht vielesdanach aus.Obwohler sie in Abrede stellt.“
„Muss ein ziemlicher Idiot sein, der Kerl. Falls er es war.“
„Stimmt“, bekräftigt Zoff. „Einen Knopf kann man schon einmal verlieren, aber zuvor auch noch eine Bierdose in der Nähe eines Tatorts zurückzulassen, wäre schon ein besonders krasses Zeichen von Blödheit.“
„Und diese Wischspur bei Brechts Haus?“
„Die ist kleiner als Schuhgröße 43.“
„Na eben. Angenommender Mannhättemit diesen Bränden gar nichts zu tun.Was dann?“
„Dann würde ihn jemand als Sündenbock missbrauchen. Wieso?“
„Um von sich selbst abzulenken. Da nebelt sich jemand ein, um dir die Sicht zu nehmen. Was ist mit den beiden Morden?“
„Brecht ist von serbischen Kriminellen gekillt worden. Das steht so ziemlich fest.“
„Und der Fall Freiher? Gibt es da überhaupt Verdachtsmomente gegen Sudek?“
„Es gibt zumindest keine echten Indizien.“
„Na also. Denk an die Zitate von Montaigne.Hat Sudek ein Faible für Philosophie?“
„Auf gar keinen Fall.“
„Dann erhebt sich eigentlich bloß noch die Frage, warum ausgerechnet dieser Herr Sudek zum Sündenbock gemacht wird. Dasmuss einen Grund
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