Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden
doch nicht wahr sein!« Sofort zog Anita die Vorhänge zu und lief zum Telefon, um die Nummer ihres Freundes zu wählen. »Tommaso! Der Mann mit dem Schirm ist hier! Er steht vor unserem Haus!«
»Ich komme sofort rüber.«
»Nein, das würde nichts nützen.«
»Dann rufe ich die Polizei.«
»Was willst du denen erzählen? Dass draußen ein Mann mit einem Schirm steht, der zu meinem Fenster heraufschaut?«
»Okay, stimmt. Also erst einmal … keine Panik.«
»Du hast gut reden. Vor deinem Haus lungert kein schwarz angezogener Typ herum!«
»Bleib kurz mal dran.« Tommaso ließ seine Freundin einige Sekunden lang warten, bevor er außer Atem sagte: »Vor unserem Haus steht tatsächlich niemand. Aber wie hat er dich bloß gefunden?«
»Keine Ahnung.«
»Die Ca’ degli Sgorbi!«, rief Tommaso so laut in den Hörer, dass Anita zusammenzuckte. »Wie dumm wir waren! Im
Café Duchamp
hast du erzählt, wo du das Notizbuch gefunden hast …«
»Er ist natürlich dort hingegangen und dann meiner Mutter zu uns nach Hause gefolgt.«
»So muss es gewesen sein.«
»Und jetzt?«
»Wir müssen etwas tun«, stellte Tommaso entschlossen fest. »Ich komme zu dir rüber.«
»Tommi, überleg doch mal! Was nützt es, was soll das bringen? Du riskierst nur, dass er auch noch herauskriegt, wo du wohnst.«
»Aber ich will dich nicht alleine lassen!«
»Wir sollten uns vielleicht lieber fragen …«
»Warum er da ist und was er will«, beendete Tommaso ihren Satz.
Anita klemmte sich den Hörer zwischen Wange und Schulter. »Mir fällt nur ein Grund ein, Tommaso: Ich habe heute die Frau in dem Rahmen gesehen! Sie war wieder da. Und dieses Mal habe ich mit ihr gesprochen.«
Tommaso zog hörbar die Luft ein. »Was hat sie gesagt?«
»Nur, dass sie die Letzte in der Sterbenden Stadt sei. Dann hat sie sich auf einmal furchtbar erschrocken und mir gesagt, er sei zurückgekommen. Gleich darauf verschwand die Zeichnung.«
»Wer,
er
?«
»Das weiß ich nicht. Sie meinte noch, sie bräuchte Hilfe. Und auch, dass sie alt sei. Außerdem wollte sie wissen, ob ich Morice Moreaus Tochter bin.«
»Halt, warte! Wir können nur ein Problem auf einmal lösen. Dieser Mann vor deinem Haus: Wenn er wirklich wegen des Buchs da war, sollten wir es als Erstes verstecken.«
»Einverstanden.«
»Blöd ist nur, dass Schwarze Melone inzwischen weiß, wo du lebst. Sobald ihr aus dem Haus gegangen seid, könnte er die Tür aufbrechen, eure Wohnung durchsuchen und …«
»Also sollte ich das Notizbuch irgendwo anders in Sicherheit bringen.«
»Genau. Aber er könnte dir folgen, so wie er deiner Mutter gefolgt ist.«
Anita schluckte. »Verflixt! Verflixt noch mal! Konnte ich den Affen nicht in Ruhe lassen und einfach nur meine Hausaufgaben machen?«
»Inzwischen ist ja wohl klar, dass dieses Buch nicht einfach nur ein gewöhnliches Buch ist … Da sind diese unverständlichen Notizen und eine Frau, die darin um Hilfe ruft. Wir müssen herausbekommen, wer sie ist und was sie will. Und wie es sein kann, dass sie in dem Heft erscheint und dann wieder verschwindet.«
»Ja, genau.«
»Und es gibt nur eine Möglichkeit, Antworten auf …«
»Wir brauchen das
Wörterbuch der vergessenen Sprachen
«, beendete Anita den Satz. »Und dazu müssen wir nach Kilmore Cove. Und wenn wir Markus Renner glauben können, dann haben wir alles, um den kleinen Ort in Cornwall zu finden.«
»Hmmm …«, machte Tommaso nachdenklich. »Mithilfe der Zwillingstannen und des schwarzen Hauses. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was damit gemeint sein soll!«
»Von der Taschenuhr mit der Eule ganz zu schweigen.«
»Das ist etwas anderes. Es ist eine Uhr und sie funktioniert. Du hast die Initialen auf dem Zifferblatt gesehen. Ich denke, sie wurde von Peter Dedalus höchstpersönlich angefertigt, dem genialen Erfinder aus den Ulysses-Moore-Büchern. So jemanden könnten wir nun brauchen! Ein Genie wie Dedalus, das uns hilft, alles in Ordnung zu bringen. Es kommt mir vor, als hätten wir etwas in Gang gesetzt.«
»Indem ich das Notizbuch aufschlug?«
»Genau. Und jetzt müssen wir herausfinden, was das alles zu bedeuten hat. Vielleicht würde es aber auch genügen, das Notizbuch zu verstecken und zu warten, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Vielleicht ist Mister Melone einfach nur …«
»He, warte mal!«, unterbrach Anita ihn. »Warum habe ich bloß nicht früher daran gedacht?«
»Woran?«
»Mir ist da was eingefallen!«
»Was?«
»Wart’s ab. Vertrau
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