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Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden

Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden

Titel: Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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hat diesen Ort im Kopf. Er sieht ihn, er stellt ihn sich vor, er erträumt ihn. Er weiß, dass es ihn gibt, er ist davon überzeugt. Und wenn er so weit ist und sich entschließt, die Reise tatsächlich zu unternehmen, und er alles beisammen hat, was er dazu braucht … Dann wird der Traumreisende den von ihm erträumten Ort auch erreichen.« Inzwischen schaute Nestor nicht mehr Rick, sondern Anita an. Es war, als wüsste er genau, auf welch komplizierten Wegen sie nach Kilmore Cove gekommen war.
    »Und was ist es, das er braucht?«, fragte Anita.
    »Wie bitte?«, fragte Nestor zurück.
    »Sie haben gesagt: Wenn sich ein Traumreisender entschließt, die Reise zu unternehmen, und er alles beisammenhat, was er dazu braucht … dann wird er den Ort erreichen, an den er will. Ich habe gefragt, was er dazu braucht.«
    »Ich glaube, du weißt es schon.«
    Anita dachte kurz nach. »Zwei Dinge.«
    Nestor nickte. »Genau, er braucht zwei Dinge. Das Erste ist ein Gegenstand, der von dem Ort stammt, an den er will.«
    Anita machte ein ernstes Gesicht. Sie dachte an Peter Dedalus’ Taschenuhr.
    »Und das Zweite?«, fragte Jason.
    »Eine Art Reiseleiter oder eine Anleitung«, antwortete Nestor. »Das kann ein Mensch, ein Tier, eine Tür zur Zeit sein oder …«
    »Ein Gedicht«, schlug Anita vor.
    »Oder ein Buch«, ergänzte Nestor und zeigte auf das Notizbuch. »Morice Moreau war ein Reiseleiter und hat in seinem Notizbuch einen geheimen Weg aufgezeichnet. Einen Weg, der …«
    »Zur Sterbenden Stadt führt«, beendete Anita den Satz.
    »Genau. Aber vorsichtshalber hat er den Weg versteckt. Und um sicherzugehen, dass nur die richtigen Leute ihn finden, hat er ihn in ein Buch eingezeichnet, das eigentlich keines ist.«
    »Was ist es denn dann?« Rick hatte es aufgegeben, bei diesem wirren Informationsaustausch mitzudenken.
    »Ein Fensterbuch.« Nestor sprach das Wort sehr langsam aus. Aus den Büchern, die er aus der Bibliothek mitgebracht hatte, wählte er das
Alphabetische Verzeichnis der unmöglichen Gegenstände
aus und begann, darin zu blättern.
    »›Bananenbücher, sechseckige Bücher, unsichtbare Bücher …‹«, las er schnell vor. Und dann: »Ach ja, hier sind sie ja: ›Fensterbücher‹. Wie in diesem einmaligen Nachschlagewerk steht, waren das … ›auf geheim gehaltene Weise hergestellte Bücher, deren Papier aus der Zellulose eines mythischen Baums gearbeitet wurde, der
Betula psicopompria (siehe dazu das Handbuch der fantastischen Botanik).
Die erste Erwähnung der Existenz eines Fensterbuchs geht auf Überlieferungen aus dem Jahr 150 vor Christus zurück. Der chinesische Hofbeamte Ts’ai Lun, der gemeinhin als Erfinder des Papiers gilt, fertigte die ersten Fensterbücher für höchste kaiserliche Beamte an. Seinen Namen verdankt das Fensterbuch einer einzigartigen Eigenschaft: Auf seinen Seiten kann man alle anderen Leser sehen, die das Buch zur selben Zeit aufgeschlagen haben. Einige dieser Fensterbücher, die seltensten und kostbarsten, sollen angeblich einen Dialog zwischen dem Besitzer und den abgebildeten anderen Lesern ermöglichen.‹«
    »So wie unseres«, flüsterte Jason.
    Nestor schaute in die Runde. »Also, es ist folgendermaßen: Wenn man das Buch aufschlägt, während gerade eine weitere Person in einem der anderen Exemplare blättert, sieht man diesen Leser, als wäre er eine Zeichnung in dem Buch.«
    »Das bedeutet …«, überlegte Anita laut, »dass die Personen, die ich in den Rahmen gesehen habe, mich auch sehen konnten …«
    »Genau!«, bestätigte Nestor.
    »Ist ja irre!«, murmelte Jason.
    Rick lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    »Die Fensterbücher«, las Nestor weiter, »wurden in zahlreichen Kriegen zwischen den chinesischen Dynastien zerstört und das Geheimnis ihrer Herstellung ging verloren. Einzelne Blätter jedoch blieben erhalten und wurden von den ersten europäischen Gesandtschaften, die das Reich der Mitte bereisten, nach Europa mitgenommen …« Der alte Gärtner legte das Buch beiseite und schlug den
Kommentierten Katalog der nicht existierenden Bücher
auf. »Wenn wir uns jetzt einmal die Liste von Büchern, die es nicht gibt, ansehen …«, brummelte er. »Sandbuch, Windbuch … Aha … genau, wie ich dachte.«
    »Was?«
    »Die
Reise in die Sterbende Stadt
von Morice Moreau, 1888, limitierte Auflage von vier Exemplaren.«
    »Vier Exemplare«, wiederholte Anita.
    »Aber entschuldige mal, Nestor.« Rick zeigte auf das dicke Buch, in dem Nestor gerade las. »Wie kann

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