Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden
höchsteigenen Kompetenzbereich an: die Bücher. Er las noch einmal, was er sich vor wenigen Minuten in seinem Büro notiert hatte und ging mit dem Zettel in der Hand zu dem Karteischrank mit den Buchtiteln. Es war ein massives Möbelstück, das über die Hälfte der Wand einnahm und in drei Bereiche unterteilt war: »Zu verreißende Bücher«, »Bücher, die vom Markt zu verschwinden haben« und »Bücher, die man ignorieren kann«. Er sah rasch die Einträge in dieser letztgenannten Kartei durch.
Das dauerte nicht lange, denn der Sachbearbeiter, der unten im Keller des Klubs arbeitete und dessen Namen Voynich immer vergaß, hatte beim Stichwortverzeichnis gute Arbeit geleistet.
»Kilmore Cove, halberfundene Kleinstadt, in der ein langweiliger Roman des Autors Ulysses Moore spielt. Der Roman wurde von einem unfähigen Übersetzer bearbeitet. « Dahinter stand »Eco«, was bedeutete, dass er bereits einen erfahrenen Kritiker auf die Sache angesetzt hatte.
Allerdings löste der Name Ulysses Moore in Voynichs Kopf so etwas wie eine Alarmglocke aus.
Ulysses Moore.
Wo hatte er diesen Namen schon einmal gehört?
Er sah hinüber zu der Liste mit den Namen der gefährlichen Personen, die vorne im Saal aushing, und las dann weiter, was noch auf der Karteikarte stand.
Cornwall.
»Verflixt und zugenäht!«, murmelte Voynich. »Das wird ja immer fantasievoller!«
In unangenehme Gedanken versunken, ging er zu der Liste an der Wand hinüber.
»Ihr Rhabarbertee, Sir«, sagte der alte Oberkellner, der mit den steifen Bewegungen eines Storches durch den Raum stakste.
Doch Malarius Voynich hörte ihn gar nicht. Deshalb also war ihm der Name so bekannt vorgekommen, dachte er. Ulysses Moore war niemand anderer als der verhasste Enkel des ehrwürdigen Raymond Moore, dem Gründer des Klubs der Brandstifter.
»Verließ London im Alter von zwölf Jahren und zog gemeinsam mit dem Vater nach Kilmore Cove in Cornwall«, las er hastig. »Seit 1967 wurden keine weiteren Informationen über ihn bekannt. Vermutlich verstorben.«
Kilmore Cove, dachte Malarius Voynich.
Schon wieder dieser Ort.
Ein Übersetzer in Italien, der von Eco beschattet wurde.
Zwei Kinder aus Venedig.
Der Illustrator Morice Moreau.
Gab es hier eine Verbindung? Und wenn ja, welche?
Während Voynich seinen Rhabarbertee trank, gelangte er mehr und mehr zu der Überzeugung, dass rasches Handeln angeraten sei. Es gab zu viele Unklarheiten und Zweifel, die es zu beseitigen galt.
Deshalb mussten die Besten ans Werk. Zwei wahre Meister in der Kunst, das Überflüssige zu beseitigen.
Malarius Voynich grinste hämisch.
Dies war ohne Zweifel ein Fall für die Gebrüder Schere.
Kapitel 17
Der Plan
»Julia!«, rief Nestor überrascht, nachdem er sich umgedreht und das geisterhafte Gesicht gesehen hatte, das durch das Fenster zu ihnen hereinstarrte. »Was machst du da draußen?« Er lief zur Tür und ließ Jasons Schwester herein, die, kaum das sie das Haus betreten hatte, anfing zu husten. »Wie bist du bloß aus der Villa gekommen?«, wollte Nestor wissen.
»Der … der … Geheimgang«, brachte Julia zwischen zwei Hustenanfällen mühsam krächzend hervor. »Dachtest du etwa, du bist der Einzige, der ihn kennt?« Erschöpft hielt sie sich am Garderobenständer fest.
»Du musst sofort zurück ins Bett, sonst werden deine Eltern …«, polterte Nestor los.
»Sie … Sie haben nichts gemerkt«, unterbrach Julia ihn. »Du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen.« Ihr Blick fiel auf das fremde Mädchen. »Wer bist du?«
»Schwesterherz«, ergriff Jason das Wort, »das ist Anita. Anita, das ist Julia.«
Während die beiden einander die Hand reichten, saß Rick auf seinem Stuhl, als habe ihn der Schlag getroffen.
»Hallo«, begrüßte Julia ihn.
»Hallo … Julia. Alles … in Ordnung?«, stammelte Rick.
»Keine Ahnung. Sag du es mir«, erwiderte sie und schlang die Arme um ihren Oberkörper.
»Julia, geh sofort wieder in dein Zimmer«, schimpfte Nestor.
»Erst, wenn ihr mir gesagt habt, was hier los ist.«
»Nichts.« Nestor schüttelte den Kopf.
»Ihr haltet diese Geheimsitzung also wegen nichts ab?«
»Anita wollte uns ein seltenes Buch zeigen, das sie in Venedig gefunden hat.«
»Und warum bringt sie es hierher zu uns?«, fragte Julia skeptisch, nachdem es ihr gelungen war, einen Hustenanfall zu unterdrücken.
»Weil es ein besonderes Buch ist«, erwiderte Jason.
»Inwiefern?«
»Es ist ein Fensterbuch.«
Julia sah zu Morice Moreaus
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