Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden
Notizheft hinüber. »Und was in aller Welt soll das sein, ein Fensterbuch?«
Jason schlug das Heft auf und fasste kurz zusammen, was Nestor ihnen darüber gesagt hatte. »Das Unglaubliche ist, dass in diesem Rahmen hier eine Frau aufgetaucht ist, die um Hilfe gerufen hat.«
Julia setzte sich auf einen Stuhl und zog die Knie an. »Aha. Und was haben wir damit zu tun?« Sie schaute Anita an.
»Zunächst einmal wollen wir es übersetzen«, antwortete Jason und zog das
Wörterbuch der vergessenen Sprachen
zu sich heran. »Und wenn wir wissen, was darin steht, können wir eine Entscheidung treffen.«
»Gut. Dann mal los«, meinte Julia entschlossen und nahm sich ein Bonbon aus einer Dose auf dem Tisch.
»Julia!« Nestor Stimme hatte einen flehenden Unterton angenommen.
»Ich kann euch dabei helfen.«
»Du gehörst ins Bett!«
»Nein, ich bleibe hier.«
»Aber
ich
muss jetzt gehen«, sagte Anita und stand auf. Sie wusste, dass sie ihren Vater schon viel zu lange allein am Strand hatte warten lassen. Sicherlich machte er sich inzwischen große Sorgen.
»Ja, das ist richtig«, stimmte Nestor ihr zu, nachdem Anita ihnen ihre Situation erklärt hatte.
»Ich kann morgen wiederkommen«, sagte sie, als sie schon an der Tür war.
»Lässt du uns das Buch da?«, fragte Jason.
»Natürlich. Und für alle Fälle …« Auf einem Block, der auf dem Tisch lag, kritzelte sie schnell ihre Handynummer.
Nachdem Anita weg war, besprachen sie noch kurz, wie sie weiter vorgehen wollten. Rick und Jason würden sofort damit anfangen, die codierten Passagen in dem Notizbuch zu entschlüsseln, während Julia in ihr Zimmer zurückkehrte, um sich brav zu schonen.
»Und pass auf, dass dich deine Eltern nicht erwischen«, ermahnte Nestor sie zum Abschied.
Dann begleitete er Anita bis nach vorn zum Gartentor und zeigte ihr die Küstenstraße, die aus dem Ort hinausführte. Kurz bevor sie sich auf ihr Fahrrad schwang, reichte er ihr die Bonbondose, von der sie alle am Nachmittag genascht hatten.
Anita wollte zuerst ablehnen, doch Nestor bestand darauf, dass sie sie mitnahm. »Du wirst sie brauchen«, erklärte er, »wenn du morgen wiederkommen willst.«
Sie nickte, steckte die Dose mit den Bonbons in ihren Rucksack und radelte davon.
Im Gärtnerhaus hatten sich Rick und Jason inzwischen an die Arbeit gemacht. Mithilfe des
Wörterbuchs der vergessenen Sprachen
wurden die Symbole auf den Seiten des Notizbuchs nach und nach zu Sätzen, deren einzelne Wörter zwar verständlich waren, die aber ihre geheimnisvolle Aussage weiter bewahrten.
Während des Entschlüsselns schauten sie immer wieder auf die Seiten mit den Rahmen, die aber leer blieben.
»Was, glaubst du, übersetzen wir da eigentlich?«, fragte Rick irgendwann seinen Freund.
»Ich denke, es handelt sich tatsächlich um Anweisungen für eine Reise.«
Mit jeder Seite wuchs in Jason der Wunsch, den beschriebenen Ort zu suchen. Er wollte unbedingt zu der Stadt, die Morice Moreau gezeichnet hatte.
Allmählich wurde es Abend. Jason und Rick gingen müde nach Hause und hinterließen auf Nestors Tisch einen ganzen Berg von Notizen.
Jason brauchte einfach nur durch den Garten zur Villa Argo zu gehen, während Rick auf sein Fahrrad stieg, um in den Ort hinunterzufahren.
Nun sah sich Nestor an, was die beiden geleistet hatten. Er konnte mit ihnen zufrieden sein. Er ging in die Küche, um sein Abendessen vorzubereiten. Währenddessen dachte er an Anita und den Übersetzer, den sie in Venedig getroffen hatte. Er dachte an seine Tagebücher und die Truhe, die in die Hände ebendieses Mannes geraten sein mussten. Und zwar ganz ohne sein Zutun.
Unsanft stellte er die Bratpfanne ab und griff nach dem alten schwarzen Telefon.
Den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, rief er den Leuchtturmwärter an, aber dort hob niemand ab. Er legte wieder auf und wählte die Nummer des Bahnhofs. Nach dem dritten Läuten hörte er die Stimme seines Freundes Black Vulcano.
»Hallo, Gärtner!«
»Weißt du, wo Leonard ist?«
»Danke, ich freue mich auch, dass es dir gut geht.«
»Weißt du, wo Leonard hingereist ist?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Nestor. Warum fragst du?«
»Sag mir, wo er ist.«
»Ich weiß es nicht, das schwöre ich dir. Er ist hier in großer Eile aufgebrochen. Du kennst ihn. Er ist wie ein Getriebener.«
»Ja. Und unterwegs verschenkt er persönliche Sachen von mir ohne meine Zustimmung.«
»Was soll das heißen?«
»Hast du davon nichts gewusst?«
»Ich
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