Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten
wäre.«
Nestor nickte. Vernünftig wie er war, war Rick auf der anderen Seite der Tür geblieben. Und nun waren die beiden Freunde getrennt, und Jason war mit einem Mädchen unterwegs, über das sie noch nicht viel wussten.
»Anita dabeizuhaben ist das Beste, was ihm passieren konnte«, sagt Tommaso im Brustton der Überzeugung.
»Glaub mir, ich habe wirklich nichts gegen sie«, versuchte Julia ihre Bemerkung von vorhin zu erklären. »Ich traue nur ihrem Urteilsvermögen nicht.«
»Warum das denn?«
»Weil ihr Jason ganz gut zu gefallen scheint. Und wenn er das merkt, kann er sie zu allem Möglichen überreden.«
»Das stimmt nicht«, protestierte Tommaso verärgert, wandte sich wieder den Fotos zu und begann, mechanisch im Ordner herumzublättern.
Julia bemerkte viel zu spät, was eigentlich los war, und versuchte sofort, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen. »Oh nein, Tommi! Du hast mich falsch verstanden. Ich wollte damit nicht sagen, dass Anita und Jason ineinander verliebt sind, ich meinte nur …«
Aber Tommaso hatte bereits begonnen sich zu fragen, ob an Julias Vermutung nicht etwas Wahres dran war, und dieser Gedanke bedrückte ihn entsetzlich. Er nahm ihm beinahe die Luft zum Atmen. »Ich gehe mal ein bisschen raus an die frische Luft«, sagte er, stand ungeschickt vom Tisch auf und ging in den Park hinaus. Er lief weiter, durch das Gartentor, über die Straße und bis zu einer Stelle, von der aus er das Meer sehen konnte und wo er alleine war.
Er war durch die Zeit gereist, um wieder bei Anita zu sein. Aber er war zu spät gekommen.
Als sie beide alleine waren, fragte Julia Nestor: »Glaubst du, ich soll ihm nach und mit ihm reden?«
»Ach was. Das ist doch nur so eine kleine Verliebtheit, das geht schnell vorbei.«
Julia ärgerte sich darüber, dass Nestor Tommasos Gefühle nicht ernst nahm.
»Du scheinst dir mehr Sorgen um ihn zu machen als um deinen Bruder«, warf Nestor ihr vor.
»Ich hatte so etwas schon geahnt«, sagte sie und kam wieder auf Jason zurück. »Ich war mir schon vor der Reise sicher, dass sich mein Bruder wie immer in furchtbare Schwierigkeiten bringen würde. Ich hätte mit ihm mitfahren oder ihn gar nicht erst losziehen lassen sollen. Ich mache mir solche Sorgen um ihn.«
Nestor gab ihr recht. Vielleicht hatten sie zu unbedacht gehandelt.
»Unsere Eltern glauben, dass Jason und Rick auf einem Schulausflug sind, während der eine gerade auf dem Gipfel eines Berges in den Pyrenäen sitzt und der andere hinter einer Tür zur Zeit gefangen ist.«
»Es könnte schlimmer sein«, meinte Nestor.
»Ach ja? Was könnte denn noch passiert sein?«
»Sie könnten irgendwo auf hoher See sein, von hungrigen Haien umzingelt«, sagte der alte Seebär, als erzähle er aus einem früheren Leben.
Kapitel 11
Die zwanzig Hinweise
Inmitten der eiskalten Ebene, wenige Schritte von dem rauschenden und schäumenden Fluss entfernt, an den Zephir sie geführt hatte, versuchten Jason und Anita das Rätsel zu lösen.
»Also, am besten fangen wir beim Anfang an«, meinte Jason.
»Einverstanden«, stimmte Anita zu.
Sie hatten sich hingesetzt und vor sich auf den Boden fünf Steine gelegt, die die fünf Türen darstellen sollten. »Zwanzig Hinweise, um die passende Tür zu finden«, murmelte Jason leise. »Und mehr darüber weißt du wirklich nicht?«, fragte er vorsichtshalber noch einmal den Riesen.
Der schüttelte den Kopf. »Nein, mein Freund. Nur die Hinweise, aber nicht den Grund, warum sie erfunden wurden.«
»Aber es muss doch einen geben«, überlegte Jason laut. »Und einen Weg, die richtige Tür zu finden. Dass wir von hier aus die Farben gar nicht erkennen können, macht es ja auch nicht gerade leichter.« Er dachte angestrengt nach. »Und wenn wir doch lieber am Ende anfangen? Die letzte Frage, die nach den Raben …« Er sah Anita an. »Du hast den Schlüssel mit dem Raben. Und die Frage lautet: Wer liebt die Raben? Mit anderen Worten: Könnte das bedeuten, dass nach der Tür gefragt wird, die sich mit dem Schlüssel des Raben öffnen lässt?«
»Ja, das könnte sein«, sagte Anita.
»Also brauchen wir nur das Rätsel zu lösen, müssen die richtige Tür finden und versuchen, sie zu öffnen.«
»Können wir nicht einfach den Fluss überqueren und versuchen, alle Türen zu öffnen?«
Jason zuckte mit den Schultern. »Das können wir vielleicht machen, aber … Wenn ich über die Erbauer der Türen etwas gelernt habe, dann dass es für ihre Rätsel immer nur eine
Weitere Kostenlose Bücher