Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens
Tier …
Eine behaarte Hand wurde auf ihren Mund gepresst.
Die Arme des Affen, den sie für ausgestopft gehalten hatte, zerrten sie nach hinten.
Julia riss die Augen auf. Sie versuchte zu schreien, brachte aber keinen Ton heraus.
Kurz darauf lag sie auf dem Fußboden, zwischen Scherben und toten Schmetterlingen. Als sie aufstehen wollte, wurde sie mit etwas Schwerem und sehr Hartem niedergeschlagen.
Das Letzte, was sie sah, war das mörderische Grinsen eines gewaltigen Affengebisses.
Kapitel 11
Das Geheimnis des Postamts
»Anscheinend war da doch nichts. Ich habe niemanden gesehen«, sagte Jason.
»Ich auch nicht. Falscher Alarm«, erwiderte Voynich.
Sie hatten vorhin beide gemeint, einen Schrei gehört zu haben. Doch wegen des laut prasselnden Regens hatten sie nicht ausmachen können, aus welcher Richtung er gekommen war. Jason und Voynich kehrten zu ihrem ursprünglichen Plan zurück, überquerten den Platz und suchten unter dem Vordach des Postamts Schutz. Inzwischen waren sie triefend nass.
»Jetzt sind wir fast da«, meinte Jason.
Von dort aus, wo sie standen, konnten sie den Kirchturm und eine Ecke des Schulgebäudes sehen. Voynich ging zum Eingang des Postamts.
»Ich glaube, es ist zu«, sagte Jason. Früher war das Postamt von Kalypso betrieben worden, der Buchhändlerin des Ortes, die ihr Geschäft auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes hatte. Doch sie war auf unbestimmte Zeit verreist, und die Flut, die in ihrer Abwesenheit Kilmore Cove und auch ihren Buchladen zerstört hatte, hatte die Schlüssel des Postamts vermutlich mit sich fortgerissen. Jedenfalls galten sie seitdem als verschollen.
»Stimmt nicht«, stellte Voynich überrascht fest. Die Tür war nur angelehnt.
»Wie kann das sein?«, wunderte sich Jason. »Glauben Sie, das waren die Affen?«
Voynich schob die Tür mit dem Lauf seines Gewehrs ein Stück weit auf. Im Postamt schien niemand zu sein.
»Warte mal einen Augenblick«, sagte der Brandstifter.
»Was haben Sie vor? Wir müssen doch zur Schule!«
Ohne auf Jasons Protest zu achten, betrat Marius Voynich mit vorgehaltener Waffe das Amt. Sein Flammenwerferschirm baumelte an seinem Gürtel. »Vielleicht ist Miss Stella ja doch nicht verrückt«, brummte er. »Konnte sie wissen, dass die Post offen sein würde? Ich sollte das Päckchen noch heute abschicken, es in die rechte Box stecken …«
»Mister Voynich?« Jason, der sich hier gut auskannte, war nachgekommen.
Genau in diesem Postamt hatte damals ihr Abenteuer begonnen. An jenem Tag, an dem sie dort ein Päckchen abgeholt hatten, das an den »Eigentümer von Villa Argo« adressiert war. Jason konnte sich noch ganz genau an diesen Tag erinnern. Sie hatten auf der Mole gesessen, Rick, Julia und er, und aus dem braunen Packpapier einen ganz normalen Schuhkarton ausgepackt. In dem Karton hatten sie zusammengeknülltes Zeitungspapier und eine alte Pfefferminzpralinenschachtel gefunden, die vier rostige alte Schlüssel enthielt: die Schlüssel für die Tür zur Zeit der Villa Argo, wie sie später herausfanden.
Das Postamt von Kilmore Cove war klein und sehr einfach eingerichtet. Hinter dem Tresen mit dem Schalter standen die Boxen für Briefe und Pakete. In einem Hinterzimmer lagen die Säcke für die eingegangene Post.
Voynich ging hinter den Tresen und legte sein Gewehr darauf. »Rechte Box, rechte Box …«
»Was machen Sie da eigentlich?«, fragte Jason. Er behielt die Straße im Auge und rechnete nervös damit, dort jeden Augenblick Affen auftauchen zu sehen.
»Ach so!«, rief der Brandstifter aus. »Wenn ich ein Päckchen abschicken will, muss ich ja den Absender draufschreiben, es frankieren und … Weißt du, ob man sonst noch etwas machen muss?«
»Nein, Mister Voynich. Und ich glaube nicht, dass das hier der richtige Moment für solche Dinge ist …«
Das Trommeln des Regens gegen die Fensterscheiben war lauter geworden.
»Miss Stella hat mich darum gebeten«, erwiderte Voynich und begann, in den Fächern an der Rückseite des Tresens herumzusuchen.
»Ja, aber das macht doch keinen Sinn! Niemand wird die Post abholen. Es dauert noch Tage, bis hier wieder alles normal läuft. Wenn es überhaupt jemals wieder dazu kommen wird.«
»Sie war so ruhig«, überlegte Voynich laut. »Als wir die ersten Kanonenschüsse hörten, bat sie mich nur um diesen Gefallen.«
»Ist ja gut, Mister Voynich. Aber wie ich die Dinge sehe, verlieren wir hier einfach nur Zeit. Wir müssen sofort zu den Schutzräumen und
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