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Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens

Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens

Titel: Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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sie zum Vergessenen Strand kamen?«
    »Das weiß ich nicht genau. Vielleicht ein oder zwei Jahre.«
    »Das ist eine lange Zeit. Es ist, als wären sie nie hier gewesen.«
    »Aber sie müssen hier vorbeigekommen sein.«
    »Beschreibe sie.«
    »Sie ist ungefähr so groß«, sagte er und zeigte die Höhe mit der Hand an. »Sie ist sehr schön, auch wenn sie jetzt schon etwas älter ist. Ihre Augen sind hell und sanft. Die Haare blond und glatt. Jedenfalls sah sie so aus, als ich sie das letzte Mal gesehen habe.«
    »Sie ist diejenige, die du eigentlich suchst, oder?
    Nestor nickte.
    »Und er?«
    »Er ist größer, hat dunkelblonde Haare und ist ein Angeber. Ihm fehlt ein Teil des Ohrs und außerdem sieht er viel jünger aus als sie, obwohl er mittlerweile ungefähr zweihundert Jahre alt sein müsste.«
    »Ein Zauberer?«
    »So etwas in der Art.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Warum reisen die beiden zusammen?«
    »Das weiß ich nicht«, gab Nestor zu. »Ich fürchte, er hat sie entführt.«
    »Und du weißt nicht, wo sie hinwollten? Zu welchem der Dunklen Häfen?«
    »Nein.«
    Die Frau lachte. Es war ein eigenartiges und grausames Lachen. »Glaubst du wirklich, dass du sie finden kannst, wenn du so wenige Anhaltspunkte hast?«
    »Ja«, antwortete Nestor, ohne zu zögern.
    »Es könnte Jahre dauern. Die Dunklen Häfen sind zahlreich und groß.«
    »Er hatte ein Schiff. Eine Brigantine mit vollkommen schwarzen Segeln.«
    Der Kopf der Frau schnellte vor. Das Silberkettchen an ihrem Nasenring klirrte. »Eine Brigantine mit schwarzen Segeln, hast du gesagt?«
    »Die
Mary Grey
, die Graue Marie. Ein Zweimaster, der nach der Meuterei der gesamten Mannschaft in einem Sumpf auf Grund lief. Weißt du etwas darüber?«
    »Vielleicht. Es ist eine Geschichte, von der ich schon gehört habe. Ein Kapitän, der verraten und auf einer abgelegenen Insel ausgesetzt wurde«, sagte die Frau in einem leisen Singsang. »Ein Kapitän, der seit zwanzig Jahren auf Rache aus ist. Könnte es diese Geschichte sein?«
    Ein Schauder durchfuhr Nestor. Er nickte wie in Zeitlupe. »Könnte sein. Und was hast du darüber gehört?«
    »Gerüchte. Viele Gerüchte. Und das ist nur natürlich. Es gibt nicht viele Schiffe, die schwarze Segel setzen können. Soweit ich weiß, gibt es nur zwei davon: die
Mary Grey
, die irgendwo in einem Sumpf verschollen ist …« Die Frau hob den Blick zum Himmel. »Und ein wesentlich älteres, das vor der Küste Cornwalls kenterte.«
    »Die
Metis
«, flüsterte Nestor.
    Die Frau legte sich beide Hände über den Mund, als wolle sie sich vor ihren eigenen Worten schützen. »Wer bist du?«, fragte sie durch die Finger hindurch.
    Kaum dass sie dies gesagt hatte, kehrte der kleine Flint zu ihnen und dem Reisgericht zurück. Ihm standen immer noch Tränen in den Augen und seine Lippen waren geschwollen und dunkelrot. »Ich lasse mich doch von einem bisschen scharfer Soße nicht unterkriegen!«, sagte er. Dann erst sah er, wie die beiden einander stumm anschauten. »Was habe ich verpasst?«, erkundigte er sich neugierig.
    »Vor langer Zeit«, begann die Frau zu erzählen, »gab es eine Schlacht, die viele Namen trägt. Welten gingen unter, andere Welten errangen Siege und Reichtum. Die Sieger beschlossen die Trennung zwischen den Orten der Erinnerung, die untereinander durch das vereint sind, was ihr das ›Labyrinth‹ nennt, und den Dunklen Häfen, die durch dieses Geschlossene Meer hier verbunden werden. Ein Meer, dessen Wasser die Farbe der Nacht hat und über dem keine Sterne leuchten, an denen sich die Seefahrer orientieren könnten. Ein grenzenloses Meer, das man jedoch niemals verlassen kann. Auf der einen Seite also ein Meer, das wie ein Gefängnis ist, und auf der anderen Seite ein Bauwerk mit unendlich vielen Räumen und Gängen. Das Endliche spiegelt sich im Unendlichen. Dies sind die Widersprüche unserer Fantasie.«
    Während der kleine Flint die Reisschüssel auswischte, hörte er der Frau zu und fragte sich, warum sie ihnen das alles anvertraute. Inzwischen war sie aufgestanden und zum Steg gegangen, von dem sie nun die Füße ins Wasserbaumeln ließ. Nestor war ihr gefolgt und hockte einige Schritte hinter ihr auf dem Steg. Er hörte zu, wie jemand, der die Geschichte bereits kannte.
    »Wir hier sind die Ausgestoßenen. Wir sind aus der Erinnerung ausgelöscht worden und haben unsere eigenen Erinnerungen verloren. Die Häfen, die wir anlaufen können, wurden aus der Großen Fantasie ausgeschlossen. Sie sind

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