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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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zu hacken. Er hatte sie noch kein einziges Mal angesehen, saß nur still da und tat so unbeteiligt, dass es ihr besonders auffallen musste.
    Aber sie wandte sich nicht an ihn, das wollte sie sich für später, unter vier Augen, aufsparen. Jetzt sah sie Spiegelhalter an.
    »Weswegen hatten Sie sich gestern eigentlich gestritten, Erdogan und Sie?«
    »Interessiert des? Erdogan lebt doch noch. Wenn ich mit dem Chef gstritte hätt, würd Ihre Frag vielleicht ä Sinn mache.«
    »Was war der Grund Ihres Streites mit Erdogan?«, wiederholte Stark ihre Frage.
    »Geld. Immer wieder Geld. Erdogan verdient mehr Geld wie er. Weil er schneller und sauberer schafft«, mischte sich Gotthard mit matter Stimme ein.
    »Tut er eben nicht. Er kriegt nur mehr Geld, weil er Rinder schießt und keine Säu sticht. Da bisch automatisch schneller«, widersprach Spiegelhalter heftig, und das Blut stieg ihm umgehend saurot ins Gesicht.
    »Wollten Sie mehr Geld von Ginter? Haben Sie deswegen auch mit ihm gestritten?«, fragte Stark.
    »Wer sagt so ebbis? D’ Vogt? Die soll bloß ihr Gosche halte, die Schlampe. Ablage mache und im Chef ohne Hösle aufm Schoß hocke, des sin mir die Liebschte. Und die, wo de Lade am Laufe halte, gehe mit de Hälfte an Monatslohn heim. Aber jetzt kann sie au gucke, wo sie bleibt. De Junior will mit dem Luder bestimmt nix zu schaffe habe. Da wird die alt Ginter scho hintedra sei.«
    Er klopfte unterstreichend mit der Faust auf den Kantinentisch und sah anerkennungheischend in die Runde. Aber da war niemand, der ihm zustimmte. Als Spiegelhalter auf Gotthards Blick traf, senkte er die Lider und murmelte: »Entschuldigung, Gotthard. Aber was wahr isch, muss wahr bleibe.« Dann sah er wieder zu Stark auf. »Könne mir jetzt weitermache?«
    Stark nickte. Die Mannschaft stand auf. Auch Killian wollte gehen.
    Sie hielt ihn zurück. »An Sie hätte ich noch ein paar Fragen.«
    Spiegelhalter und Gotthard sahen sich an, blickten dann zu ihr und Killian.
    »Der weiß nix. Der isch neu«, sagte Gotthard.
    »Deswegen«, sagte Stark. »Manchmal ist der unverbrauchte Eindruck schärfer. Frohes Schlachten.«
    Gotthard und Spiegelhalter trotteten davon, als wären sie die Viecher, die zur Schlachtbank mussten.
    Stark drehte sich zu Killian. »Kaffee?«
    »Heißes Wasser.«
    Sie sah ihn einen Moment irritiert an, nickte dann und stand auf, um an der Theke einen Kaffee und eine Tasse mit heißem Wasser zu holen. Was machte dieser Killian hier? Seine Hände, sein Blick, der trainierte Körper und die seltene Vorliebe für heißes Wasser – der Kerl war alles andere als ein Metzger, das stand fest. Aber sie hatte Angst, ihn direkt zu fragen, wer und was er war. Der Letzte, dem sie heißes Wasser gebracht hatte, war Schewtschenko gewesen. Ihn hatte sie allerdings nie gefragt, wer und was er war. Sie hatte es bereits gewusst, ehe sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Seine Akte war dick genug gewesen, sie hatte sie studiert und war dann das Risiko eingegangen, sich undercover in die Szene einzuschleusen, in der er gelebt und gearbeitet hatte.
    Auch dort war es wie auf dem Schlachthof zugegangen. Prostitution und Menschenhandel, Drogen-und Waffenschmuggel, das war sein Gewerbe gewesen. Er schoss keine Rinder im Vier-Sekunden-Takt, er ließ, ohne mit der Wimper zu zucken, dreißig illegal geschmuggelte Menschen im Container ersticken, wenn es die Situation erforderte. Und nicht nur das. Abseits dieser Schandtaten konnte er der charmanteste Mensch der Welt sein. Sie hatte beides erfahren müssen, und es hatte lange gedauert, bis sie von den Wogen ihres aufgewühlten Gefühlsmeeres wieder ausgespuckt worden war. Sie musste aufpassen. Sie durfte weder Projektionen der Sehnsucht verfallen, noch durfte sie verklären. Schewtschenko war ein eiskalter Killer gewesen, der sie schamlos benutzt hatte. Nicht sie hatte ihn ausgehorcht und überführt, sondern er hatte mit ihr gespielt. Sie war ihm hoffnungslos ausgeliefert gewesen. Nun war er tot, und es geschah ihm recht.
    Der Mann, dem sie jetzt heißes Wasser brachte, hatte Schewtschenkos Ausstrahlung. Ihn umgab die Aura des lässigen Todes. Der Tod, der anzog, unwiderstehlich machte wie das marode Venedig.
    »Bitte.« Sie stellte ihm die dampfende Tasse hin.
    »Danke.«
    »Was machen Sie hier?« Sie sah ihm in die gelb-braunen Augen und erschrak. Schewtschenko hatte immer damit geprahlt, dass seine Augen Bernsteine vom Wolgastrand wären – jetzt blickte sie wieder in welche. Unwillkürlich wich

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