Um die Wurst (German Edition)
sie Killians Blick aus. Sie sah ihm auf die Stirn, das war sicherer.
»Ich arbeite hier«, sagte Killian.
»Für wen?«
»Für mein schmales Bankkonto.«
»Was machen Sie sonst?«
»Ich fotografiere. Aber derzeit ist die Auftragslage schlecht. Also muss ich mir etwas hinzuverdienen.«
»Verstehe.« Stark sah ihm wieder in die Augen. Sie konnte es jetzt ertragen. Sie dachte nicht an Schewtschenko, sondern fragte sich, ob Killian auch hier etwas zu fotografieren hatte. Er schien ihre Gedanken zu lesen und sagte: »Ich bin kein Reporter. Ich bin nicht wegen der Morde hier.«
Er konnte gut lügen, und trotzdem schimmerte der Bernstein seiner Augen ungetrübt weiter. Stark war schon einmal darauf hereingefallen, ein zweites Mal würde sie es nicht tun. Aber sie spielte mit. Sollte er glauben, dass sie ihm auf den Leim ging.
»Ich denke, Sie müssen wieder. Sonst schichten sich die Schweinsohren in den Gängen«, sagte sie und nippte an ihrem Kaffee.
Killian hatte sein heißes Wasser nicht angerührt. Er stand auf und sagte: »Auf Wiedersehen.«
Sie erwiderte den Gruß mit einem Nicken und versuchte dem Nachhall seiner Worte zu entnehmen, ob Hohn in seiner Stimme lag. Sie musste verneinen. Das gefiel ihr nicht. Auch bei Schewtschenko hatte sie nie etwas Verräterisches gehört. Und genau das war die Falle gewesen, in die ihr Herz getappt war.
*
Hunde aller Rassen balgten sich, Katzen lagen in der späten Mittagssonne auf dem Wellblech, und Karnickel hoppelten ungestört zwischen großblättrigem Löwenzahn und nicht geschnittenen Brennnesseln umher. Dazwischen zog eine junge Frau eine Ziege an einem Strick über das Areal, während ein Papagei auf einer Wäschestange sitzend im Zwanzig-Sekunden-Takt »Schießdreck!« plärrte.
»Kommen Sie, um den Mischling abzuholen?«, fragte eine herbe Stimme hinter Belledin. Er drehte sich um und blickte in das Gesicht einer Frau, mit der man wohl barfuß ohne Packesel die Anden durchqueren konnte.
»Frau Dr. Riesterer?«
»Ja.«
»Belledin, Kripo Freiburg.« Er zeigte ihr seinen Dienstausweis. »Ich komme –«
»Wegen Schwarz«, schnitt sie ihm den Satz ab. »Musste ja so enden.«
»Wieso?«
»Polarisierend. Stark polarisierend. Auch innerhalb unseres Vereins.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Wir sind im Grunde sehr konservativ und moderat. Ein paar Leserbriefe, Flugblätter, Aufklärungsfeste mit Tombola. Aber Schwarz war extremer. Er propagierte Gewalt. Und einige der Jüngeren fanden das gut. Wir hatten plötzlich ungeahnten Zuwachs. Viele Schüler der Oberstufe, die zuvor eher durch rechtsradikale Schmierereien aufgefallen waren, setzten sich mit einem Mal für das Wohl des Tieres ein.«
»Und das missfiel einigen aus der älteren Fraktion?«
»Aber hallo.«
»Und Sie? Wie standen Sie zu der Entwicklung?«
Riesterer schien einen Moment ernsthaft über die Frage nachzudenken. »Ich fand es gut, dass Bewegung in die Sache kam. Ich habe nicht alle extremen Ideen und Aktionen befürwortet, aber es war richtig, mehr zu riskieren und mehr Aufmerksamkeit zu erhalten.«
»Die haben Sie ja jetzt mit dem Tod von Schwarz ausreichend bekommen.«
»Das stimmt tatsächlich. Sie glauben gar nicht, wie viele Zeitungen sich seit gestern gerührt haben. Sogar das Fernsehen hat sich schon angemeldet. Für Sie mag es vielleicht abgeschmackt wirken, aber wir werden dieses kurze Zeitfenster nutzen, das uns die Öffentlichkeit schenkt.«
»Es gibt einen weiteren Toten«, sagte Belledin und lauerte auf eine Reaktion in Riesterers Miene. Doch dort tat sich nichts, was ihm einen Hinweis auf Mitwisserschaft hätte geben können.
»Ginter, der Chef vom Schlachthof Freiburg. Man hat ihm ebenfalls einen Bolzen ins Hirn gerammt«, fuhr er fort.
»Oh. Das tut mir leid.« Es klang teilnahmslos. Fast zynisch. »Hat man ihm auch das Gesicht abgezogen?«
»Nein. Vielleicht hatte der Täter keine Zeit.«
»Oder es war nicht derselbe Täter. Schwarz hatte einige sehr treue Anhänger unter den Jugendlichen. Vielleicht hat sich jemand gedacht, dass Ginter Schwarz hat abstechen lassen, und jetzt Vergeltung geübt. Ich traue das einigen zu.«
»Konkrete Namen?«
»Fragen Sie doch mal bei den Köhler-Brüdern nach.«
»Den Bleichenwangs?«
»Sie kennen sie?«
»Noch nicht. Haben die etwas mit dem Chemie-Lehrer zu tun, der sich für die christliche Umweltpartei engagiert?«
»Exakt. Der, der behauptet, die Pille wäre schuld am Treibhauseffekt. Haben Sie noch etwas? Ich muss hier
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