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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Ein aschfahles Gesicht lugte vom Geländer auf ihn herab. Belledin kannte es gut. Es war der Horror seiner Chemie-Stunden: Fritz Köhler.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«, rief Köhler durchs Treppenhaus.
    Belledin fehlte der Atem. Köhler würde auf die Antwort warten müssen, bis er bei ihm oben war. Köhler hatte immer lange auf seine Antworten warten müssen. Wenn sie überhaupt gekommen waren. Noch ein halbes Stockwerk, dann standen sie sich gegenüber.
    Köhler trug eine abgewetzte Cordhose, ein helles kariertes Hemd und eine hellbraune Strickjacke. Seine Füße steckten in jägergrünen Filzpantoffeln. Die Gläser der Brille waren dicker geworden, die weißen Haare dünner. Er schien Belledin nicht zu erkennen. Kein Wunder, hatte er ihn doch schon zu Schulzeiten nie richtig angesehen.
    »Ich bin gut versichert«, sagte Köhler und drehte sich von Belledin weg, um in der Wohnung zu verschwinden.
    »Auch Haftpflicht für Ihre beiden Söhne?«, fragte Belledin, und sein Unterton stach Köhler in den Rücken.
    Er drehte sich um und musterte ihn. Belledin machte es ihm einfach und zückte den Dienstausweis. Köhler nahm ihn unter die Lupe und lachte laut, wobei er große gelbe Zähne zeigte.
    »Belledin.« Er schüttelte den Kopf. »Ich fass es nicht. Kommissar Belledin. Wer hätte das einmal gedacht?« Er gab den Ausweis zurück. »Aber man muss sich ja nur mal umgucken, wer heute an welche Posten kommt. Da wundert einen gar nichts mehr.«
    »Immerhin wird noch verhindert, dass nicht alle an ihre ersehnten Posten kommen. Oder sind Sie etwa doch schon heimlich auf dem Weg zum Ministerpräsidenten?« Belledin spielte auf die politischen Ambitionen an, die Köhler finanziell ruiniert hatten. Die christlich-ökologische Partei, die er einst gegründet hatte, hatte ihn Haus und Hof gekostet. Dafür war er mit Hohn und Spott überreich beschenkt worden. Der einstige Spross reicher Gutsherren wohnte jetzt in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der Neutorstraße. Allein. Ohne Frau. Nur mit den beiden Söhnen, wegen denen Belledin nun hier war. Wagner hatte ihn gut mit Material versorgt. Auch dass Köhler und Schwarz gemeinsam Vorträge gehalten hatten, war vermerkt. Da konnte Belledin ansetzen.
    »Schadenfreude ist das niedrigste aller Laster.« Köhler verzog verächtlich den Mund.
    »Wie standen Sie zu Erik Schwarz?«
    »Guter Mann. Verdammt guter Mann. Der hätte es weit bringen können. Konsequent in seinen Ansichten. Aber das haben wohl auch seine Gegner gerochen. Immerhin ist ihm meine Schmach erspart geblieben. Mich hat nämlich damals auch nicht der Wähler kaltgestellt, sondern die Intrigen der politischen Gegner. Aber das glaubt ja keiner. Wenn ich sagen würde, warum ich wirklich nicht dorthin gelangen konnte, wohin ich wollte – man hielte mich für verrückt.«
    »Verschwörungstheorien?«
    »Leck mich am Arsch, Belledin.«
    Belledin schluckte es. Er genoss es, den alten Pauker nach Ausreden für sein politisches Versagen suchen zu sehen. Wie viele Ausreden hatte sich Belledin einst aus den Fingern gesogen, wenn er mal wieder die Antwort auf irgendeine absurde Frage nicht parat hatte. Leck mich am Arsch. Das hatte er damals oft gedacht. Und Köhler dachte es nun auch. Allerdings laut. Was sich Belledin damals nie getraut hätte. Er hatte Oberwasser. Mit der nächsten Frage würde er Köhler wieder etwas mehr unter Druck setzen.
    »Ihre beiden Söhne, wo sind sie? Ich habe ein paar Fragen an sie.«
    »Sie sind nicht da. Sie bereiten eine Aktion vor, die den Lobbyisten zeigen soll, dass wir uns nicht einschüchtern lassen.«
    »Mit Gewalt?«
    »Sagen wir: mit einem Vorgeschmack davon.«
    »Sie wissen, dass das strafbar ist, was Sie hier von sich geben.«
    »Ich gebe gar nichts von mir. Sie erfinden alles. Oder haben Sie Zeugen?« Köhler bleckte wieder die gelben Zähne.
    »Wo sind Ihre Söhne jetzt? Sie wollen doch nicht, dass ich sie mit Blaulicht suchen lasse, oder? Denken Sie an Ihren Ruf.«
    »Ich habe keinen Ruf mehr. Nur noch eine Berufung. Und die ziehe ich durch. Und meine Söhne werden mir dabei helfen.«
    »Wo sind sie?«
    »In der Schule. Sie geben gratis Nachhilfeunterricht in Chemie und Physik. Vielleicht sollten Sie sie tatsächlich aufsuchen. Wenn ich mich richtig erinnere, war das damals ein recht blinder Fleck bei Ihnen.« Damit ging er in seine Wohnung zurück und schlug die Tür vor Belledins Nase zu.
    Belledins Genugtuung war verschwunden. Köhler hatte es geschafft, ihn genauso dumm stehen zu

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