Um Haaresbreite
Wichtigkeit für die Interessen des Landes ist, und Schicklichkeit hat überhaupt nichts damit zu tun.«
»Es verstößt gegen alle Vorschriften«, wehrte sich Stuckey hartnäckig.
»So redet nur ein wahrer Beamter«, sagte Villon zynisch.
»Wollen Sie nun bitte endlich tun, was Ihre Regierung von Ihnen verlangt?«
Stuckey dachte einen Augenblick nach. »Die Abzweigung von Millionen Kilowatt ist ziemlich kompliziert und erfordert schwierige Leitungs- und Frequenzkontrollen mit genauer Zeiteinstellung. Obgleich der größte Teil des Starkstromüberschusses geerdet sein wird, werden wir unser System immer noch einer schweren Belastung aussetzen.«
»Können Sie es tun?« bedrängte in Villon.
»Ja.« Stuckey gab sich geschlagen. »Nur sehe ich immer noch nicht ein, zu welchem Zweck wir allen Städten zwischen Minneapolis und New York den Strom abstellen sollen.«
»Ein Test – fünf Sekunden«, sagte Villon, ohne auf Stuckeys Bemerkung weiter einzugehen.
»Sie brauchen den für die Vereinigten Staaten bestimmten Strom nur fünf Sekunden lang auszuschalten.«
Stuckey blickte noch einmal trotzig auf, beugte sich dann zwischen die Ingenieure am Schalttisch und drehte mehrere Knöpfe. Die Bildschirme über ihnen wurden hell und zeigten verschiedene Stadtsilhouetten.
»Der Bildkontrast scheint sich zu erhellen, wenn man von links nach rechts schaut«, bemerkte Villon.
»Die dunkleren Städte sind Boston, New York und Philadelphia.« Stuckey blickte auf seine Uhr. »In Chicago ist es schon fast dunkel, und in Minneapolis ist die Sonne noch nicht untergegangen.«
»Wie können wir den Stromausfall feststellen, wenn die Stadt noch im Tageslicht ist?«
Stuckey betätigte ein Einstellgerät, und der Monitor von Minneapolis zeigte eine verkehrsreiche Straßenkreuzung. Das Bild war so klar, daß Villon die Straßenschilder an der Ecke der Third Street und der Hennepin Avenue erkennen konnte.
»Die Verkehrsampeln. Wir sehen es, wenn sie verlöschen.«
»Wird auch Kanada vom Stromausfall betroffen?«
»Nur die Orte an der Grenze unterhalb unserer Umleitungszentralen.«
Die Ingenieure saßen noch eine Weile geschäftig über den Schalttisch gebeugt, und dann hielten sie inne. Stuckey drehte sich um und blickte Villon scharf in die Augen. »Ich übernehme keine Verantwortung für die Folgen.«
»Ihre Einwände werden ordnungsgemäß zur Kenntnis genommen«, erwiderte Villon.
Er starrte auf die Bildschirme, fühlte plötzlich Unschlüssigkeit und Zweifel in sich aufsteigen.
Die Verantwortung für das, was er jetzt zu tun im Begriff stand, lastete schwer auf seinen Schultern. Fünf Sekunden. Eine Warnung, die man nicht außer acht lassen konnte. Schließlich überwand er alle Furcht und nickte.
»Bitte fahren Sie fort.«
Dann sah er zu, wie ein Viertel der Vereinigten Staaten lahmgelegt wurde.
ZWEITER TEIL
DIE KRIECHWANZE
21
MÄRZ 1989
WASHINGTON D. C.
Ein Gefühl der Hilflosigkeit, fast der Angst, bemächtigte sich Alan Merciers, als er bis spät in die Nacht arbeitete, sich durch einen ganzen Stapel von militärischen Anweisungen und Empfehlungen bezüglich der nationalen Sicherheit büffelte. Er mußte sich immer wieder fragen, ob der neue Präsident fähig war, sich den Realitäten zu stellen. Die Erklärung des nationalen Bankrotts kam einer Bitte um Absetzung gleich.
Mercier lehnte sich zurück und rieb sich die müden Augen. Es handelte sich nicht mehr um abstrakte Vorschläge und Voraussagen. Jetzt ging es um Entscheidungen, die Millionen von Menschenleben betrafen.
Plötzlich fühlte er sich machtlos. Dinge von großer Folgenschwere kamen auf ihn zu, wurden unüberschaubar, überstiegen sein Begriffsvermögen. Die Welt und die Regierungsgeschäfte waren zu kompliziert geworden, um noch von einer Handvoll Männer unter Kontrolle gehalten werden zu können.
Seine Niedergeschlagenheit wurde von einem Sekretär unterbrochen, der in sein Büro trat und auf das Telefon wies.
»Dr. Klein möchte mit Ihnen sprechen, Sir.«
»Hallo, Ron, ich nehme an, daß auch Sie bis über den Kopf in der Arbeit stecken.«
»Das kann man wohl sagen«, antwortete Klein. »Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, daß ich diesem kostspieligen Dingsda auf die Spur gekommen bin.«
»Was ist es genau?«
»Das kann ich nicht sagen. Niemand hier hat die leiseste Ahnung.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Der Betrag ist tatsächlich dem Energiedepartement zugewiesen worden. Aber dann wurde er sofort an eine andere
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