Um Haaresbreite
die wir einfach nicht haben. Du könntest uns mit einer Abbruchmannschaft vergleichen, die ein Gebäude Stockwerk für Stockwerk niederreißt. Der Sprengstoff muß an strategischen Punkten eingesetzt werden, damit die innere Struktur innerhalb einer vorberechneten Zone einstürzt.«
»Blitzzünder angesetzt, Zeituhr tickt«, meldete Gunn.
Pitt griff Heidis Frage voraus. »Ein Blitzzünder ist ein elektronisches Gerät mit Zeitzähler, der das Pyroxon zur Explosion bringt.«
»Taucher in Deckung, und wir zählen«, sagte Gunn. »Zehn Sekunden.«
Alle im Kontrollraum blickten gespannt auf die Bildschirme.
Der Countdown schleppte sich hin, während sie gespannt auf das Ereignis warteten. Dann brach Gunns Stimme das lastende Schweigen.
»Wir brennen.«
Ein blendendes Leuchten überschwemmte die Steuerbordoberseite der
Empress of Ireland.
Zwei weißglühende Streifen schlängelten sich aus der gleichen Quelle, schossen um das Deck und die Schotten, trafen wieder zusammen und bildeten einen weiten Kreis. Über dem feurigen Bogen zischte eine riesige Dampfwolke der Oberfläche zu.
Jetzt begann die Schiffsmitte einzusacken. Sie hing fast eine Minute da, schien nicht nachgeben zu wollen. Dann schmolz das Pyroxon den letzten Pfeiler, das alte Stahlgerüst stürzte lautlos nach innen, verschwand im unteren Deck, ließ eine Öffnung von sechs Meter Umfang zurück. Der geschmolzene Rand des Kreises wurde rot und dann grau, verhärtete sich wieder im kalten Wasser.
»Sieht gut aus!« sagte Gunn aufgeregt.
Hoker warf sein Notizbrett in die Luft und schrie Hurra. Dann lachten sie alle und klatschten Beifall. Die erste Brennbohrung, die entscheidende, war ein durchschlagender Erfolg.
»Laß die Greifzange hinunter«, befahl Pitt mit scharfer Stimme. »Verlieren wir keine Minute, und schaffen wir die Trümmer raus.«
»Ich habe einen Kontakt.«
Fast niemand mehr hatte auf die Bildschirme geschaut. Nur der zottelhaarige Mann am Empfänger des Flächenecholots hatte den Blick von der Meßdatenaufzeichnung nicht abgewandt.
Mit einem Satz stand Pitt hinter ihm. »Können Sie es identifizieren?«
»Nein, Sir. Die Entfernung ist zu groß, um Einzelheiten zu erkennen. Sah aus, als sei etwas aus dem Kahn gefallen, der auf der Backbordseite vorüberfuhr.«
»Fiel es in einem Gleitwinkel heraus?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Ging senkrecht herunter.«
»Sieht nicht nach einem Taucher aus«, sagte Pitt. »Die Crew hat wahrscheinlich eine Fuhre Schrott oder dergleichen über Bord geworfen.«
»Soll ich dranbleiben?«
»Ja, und schauen Sie, ob Sie eine Bewegung erkennen.« Pitt wandte sich an Gunn. »Wer ist auf dem Unterseeboot?«
Gunn mußte erst nachdenken. »Sid Klinger und Marv Powers.«
»Der Sonar hat einen komischen Kontakt. Sag ihnen, sie sollen mal in die Richtung schwenken.«
Gunn blickte ihn an. »Du meinst, wir bekommen wieder Besuch?«
»Die Lesung ergibt nichts Genaues.« Pitt zuckte die Schultern.
»Aber man kann nie wissen.«
Sobald Foss Gly sich von dem Kahn heruntergelassen hatte, schwamm er direkt auf den Grund zu. Es war nicht gerade einfach, zusätzliche Sauerstofftanks mit herunterzuschleppen, aber er brauchte sie für den Rückweg und die notwendigen Dekompressionsphasen, bevor er wieder auftauchen konnte.
Unten angelangt, bewegte er sich geduckt am Flußbett entlang.
Er hatte kaum fünfzig Meter zurückgelegt, als er in der schwarzen Leere ein leises Summen vernahm. Er blieb reglos und horchte.
Gly konnte zunächst nic ht ausmachen, woher das Geräusch kam. Aber dann sah er einen matten gelben Schimmer, der sich über ihn und zu seiner Rechten ausbreitete. Das bemannte Unterseeboot der
Ocean Venturer
war ihm auf der Spur.
Es gab kein Versteck auf dem flachen und kahlen Flußbett, keine Felsbrocken, kein Tanggestrüpp, das ihn schützen könnte.
Hatte der hochintensive Lichtstrahl des U-Boots ihn einmal erfaßt, so gab es keinen Ausweg mehr für ihn. Er ließ die Preßluftflaschen fallen, drückte sich mit dem Körper in den Schlamm, stellte sich vor, wie die Crew sich bemühte, ihn in diesem Dunkel zu finden. Er hielt den Atem an, damit nicht Luftblasen ihn verrieten.
Das U-Boot schwamm an ihm vorbei und entfernte sich. Gly nahm einen tiefen Atemzug, jubelte aber keinesfalls. Er wußte, daß das Schiff wenden und wieder nach ihm ausschauen würde.
Dann fiel ihm ein, warum man ihn nicht gesehen hatte. Der Schlamm hatte sich über ihn gelegt und ihn völlig zugedeckt. Er buddelte sich
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