Um Mitternacht mit dir im Bett
habe”, fuhr Blair mit einem wenig überzeugenden Seufzer fort. “Da ich ihn fast verloren hätte, werde ich ihn in Zukunft besser im Auge behalten. Und zwar in jeder Hinsicht.”
Sarah vernahm die plötzliche Veränderung des Tons, es klang fast wie eine Warnung. Nahm Blair etwa an, sie würde einen verheirateten Mann direkt unter den Augen der Ehefrau verführen? Einen Mann, der ihr Großvater sein könnte?
Aber er könnte ja auch Blairs Großvater sein.
“Ich bin sicher, Seamus weiß das zu schätzen”, antwortete Sarah, obgleich sie festgestellt hatte, wie sehr der alte Herr übertriebene Fürsorge ablehnte.
“Natürlich habe ich jetzt mit der Renovierung und dem Aufräumen des Dachgeschosses alle Hände voll zu tun.” Blair trank ihr Glas leer und fixierte Sarah mit ihren klaren blauen Augen. “Aber ich komme tagsüber immer mal vorbei und schaue nach ihm.”
Sarah nickte nur. Es wäre müßig, dieser Frau zu sagen, dass sie nicht die geringste Absicht habe, ihr den Ehemann wegzunehmen.
Blair stellte ihr leeres Weinglas zurück. “Übrigens, am Samstag haben wir Gäste zum Dinner. Wir feiern Michaels Geburtstag, und Seamus wird dafür herunterkommen. Das bedeutet, Sie haben für den Abend frei.”
Das bedeutete auch, dass Seamus’ Schlafzimmer leer wäre. Sarah hätte endlich Zugang zum Tresor. “Wie schön.”
“Also gut.” Blair lächelte. “Ich bin froh, dass wir uns ein wenig unterhalten haben, Sarah. Michael hat nicht immer einen guten Griff, wenn es um Frauen geht, aber Sie scheinen in Ordnung zu sein.”
Auch Seamus schien mitunter daneben zu greifen. Blair liebte ihn nicht. Eine Erkenntnis, die Sarah zugleich traurig und hellhörig machte. “Danke.”
“Keine Ursache. Jetzt können Sie wieder an Ihre Arbeit gehen.”
Nachdem Sarah gnädig entlassen worden war, bedankte sie sich noch einmal und erhob sich. Kein Wunder, dass Seamus ständig schlechte Laune hatte. Wie hielt er es mit dieser Frau bloß aus, selbst wenn sie jung und schön war?
Aber warum kümmerte sie das? Ihr Großvater würde triumphieren über die Zustände in der Wolffschen Familie. Er würde sagen, Seamus habe es nicht anders verdient.
Aber jeder Mensch verdiente es, geliebt zu werden, und daran schien es in dieser luxuriösen Villa sehr zu mangeln, bis auf Michaels Zuneigung zu seinem Großvater. Und sogar die krankte an Michaels Argwohn gegen Seamus’ Frau. Sollte Seamus entdecken, dass sein Enkel plante, sein Testament zu stehlen, um Blairs Schuld zu beweisen, würde er ihm jemals verzeihen? Auch wenn Michael recht hätte?
“Das kann mir egal sein”, murmelte Sarah vor sich hin, während sie nach unten ging, um mit Napoleon zu spielen. “Bis dahin bin ich längst wieder zu Hause.”
Michael saß in seinem Büro im obersten Geschoss der Consolidated Bank und studierte eingehend Sarah Hewitts Personalbogen. Er hatte dem Personalleiter gesagt, dass Sarah kurzfristig beurlaubt sei, und ihn gebeten, ihm ihre Akte auszuhändigen.
Sicherlich stellten ihre Kollegen und Kolleginnen bereits Vermutungen an über Sarahs geheimnisvolles Verschwinden. Nun, sollten sie ruhig. Michael schuldete niemandem eine Erklärung.
Er nahm sich ihre Daten vor. Alter: sechsundzwanzig. Stand: ledig. Das erstaunte ihn nicht, denn Sarah schien ein treues Wesen zu haben. Eigentlich komisch, da sie doch eine Diebin war.
Tief im Herzen wollte er jedoch nicht daran glauben. Und zwar so sehr, dass er nicht einmal das Videoband angesehen hatte, aus Furcht, es würde den Beweis für ihre Lüge liefern.
Es klopfte an der Tür. Michael klappte die Akte zu und sagte: “Herein.”
Cole Rafferty betrat das Büro. Cole war ein Studienfreund von der Washington University und besaß jetzt eine der renommiertesten Detektivagenturen in Denver. Er ermittelte inzwischen kaum mehr selbst, aber für diese Aufgabe wollte Michael den Besten haben.
“Schön, dass du so schnell kommen konntest.” Michael stand auf und schüttelte seinem Freund die Hand.
“Na, hör mal, wenn der großmächtige Michael Wolff ruft, gibt es für mich kein Halten.” Cole grinste. “Außer natürlich, er ruft aus der Hochzeitskapelle in Reno an und fordert, dass ich ins nächste Flugzeug springe, weil er ein Showgirl namens Kiki heiraten will und einen Trauzeugen braucht.”
Michael zog eine Grimasse. “Das reibst du mir wohl mein Leben lang unter die Nase, wie?”
“Ich wette, Kiki wird mir nie verzeihen, dass ich dir das ausgeredet habe.”
“Ich war jung
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