Um Mitternacht mit dir im Bett
Frau, die ihr da entgegenblickte, sie selbst war. Aber das Kleid war einfach hinreißend. Der weiße fließende Stoff umschmiegte ihre Figur, als wäre die Robe für sie handgeschneidert. So als hätte Michael beim Aussuchen jeden Zentimeter ihres Körpers vor Augen gehabt.
Das Kleid war im Rücken tief ausgeschnitten, beinah bis zur Taille. Aufgenähte winzige Strasssteine auf den schmalen Trägern und dem eng anliegenden, ebenfalls tief ausgeschnittenen Vorderteil fingen das Licht ein und funkelten bei jeder Bewegung.
Sie hatte sich das Haar zu einem kunstvollen Zopf geflochten und diesen mit Haarnadeln hochgesteckt. Ein paar lockere Strähnchen kräuselten sich an ihren Wangen und im Nacken. Nun betrachtete sie sich begeistert von allen Seiten.
Mit ihren sechsundzwanzig Jahren hatte sie noch nie etwas so Schönes, so Kostbares getragen. Jetzt musste sie feststellen, wie verführerisch Reichtum war. Sie schlüpfte in die hochhackigen silbernen Sandaletten – auch die saßen perfekt – und sagte sich, dass dies nur ein neues Märchen sei. Allerdings spielte sie nun nicht Rotkäppchen, sondern Aschenputtel. Ein Märchen, das vielleicht kein so glückliches Ende nehmen würde, wenn sie Seamus’ Privatsafe aufbrach und sein Testament stahl. Danach würde sie gehen müssen und das Kleid sowie Michael für immer zurücklassen.
Es klopfte an der Tür. “Herein.”
Michael trat ein. Er trug einen Smoking mit blütenweißem Hemd und schwarzer Schleife. Ihr Herz setzte bei seinem Anblick für einen Moment aus, nur um dann umso schneller zu schlagen. Sie musste tief Luft holen, damit er ihr nichts anmerkte. Oh ja, es war gut, dass sie ging. Das einzig Richtige.
“Du siehst umwerfend aus.” Bewundernd betrachtete er sie von Kopf bis Fuß.
Sie lächelte geschmeichelt. “Du aber auch.”
Er trat auf sie zu. “Aber etwas fehlt noch.”
Sie sah, wie er das wohlbekannte blaue Samtetui aus der Tasche zog. Er klappte es auf, und da lag das Brillanthalsband.
Sarah schüttelte heftig den Kopf. Mit diesem Schmuckstück hatte alles angefangen. Es hatte sie in dieses Haus geführt und direkt in Michaels Bett. Sie fürchtete, den letzten Rest von Fassung zu verlieren, wenn sie es trug.
“Bitte”, sagte er. “Weil ich Geburtstag habe.”
Sie hätte ablehnen sollen, aber bei seinen flehenden Worten dachte sie an den kleinen Jungen, der so viele Geburtstage ohne seine Eltern hatte feiern müssen. War es wirklich ein so großes Opfer für sie?
Stumm drehte sie sich um, damit er ihr den Schmuck anlegen konnte. Als das Band ihren Hals umschloss, strich sie beinah ehrfürchtig über die Diamanten.
Michael stand dicht hinter ihr, sein warmer Atem streifte ihre Wange. Sarahs Haut prickelte, als er an dem Verschluss nestelte. “Hast du Probleme?”, fragte sie ein wenig atemlos.
“Die Schließe ist etwas ungewöhnlich”, entgegnete er. “Sie ist sehr alt, und ich fürchte, ich mache sie kaputt, wenn ich zu unvorsichtig bin.”
Als er sich näher über sie beugte, schloss sie die Augen und sog seinen würzigen Duft ein. Endlich hatte er es geschafft, nahm jedoch nicht die Hände von ihr, sondern befreite ein Strähnchen, das sich unter dem Halsband verfangen hatten. Dann strich er ihr über die nackten Schultern, ehe er sie wieder zu sich herumdrehte.
Sie empfand seine Nähe mit all ihren Sinnen. “Wir sollten hinuntergehen.”
“Das sollten wir”, bestätigte er, rührte sich aber nicht vom Fleck. “Du bist so verdammt schön”, murmelte er und streichelte ihre Halsbeuge. “Du solltest jeden Tag Diamanten tragen.”
“Ich fürchte, das hält mein Bankkonto nicht aus.”
Er lachte und reichte ihr den Arm. “Bist du bereit?”
Eine mehrdeutige Frage. Bereit für die Party? Oder zum Diebstahl? Oder bereit für sein Bett? In allen drei Fällen lautete die Antwort Ja. Doch sie sagte nichts, sondern hakte sich bei ihm ein und steuerte auf die Tür zu.
Noch eine Nacht in der Wolfshöhle. Danach wäre sie frei.
9. KAPITEL
Michael beobachtete Sarah quer durch den Raum und fragte sich, wieso die anderen Männer um ihn herum es ihm nicht gleichtaten. Die Herren hatten sich nach dem Dinner zurückgezogen, Zigarren und Brandy wurden gereicht, und man gratulierte Michael zu seinem neusten Geschäftsabschluss.
Er sah sich nach Seamus um, der in seinem Rollstuhl hinter ihm saß und genüsslich an einem Brandy nippte. Anscheinend interessierte er sich nicht für die Gespräche der anderen. Plötzlich erregte jedoch
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