Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Ein Buffet, an dem sich jeder holen kann, was er möchte, oder eine Grillparty können eine vernünftige Alternative bieten. Bei Würstchen vom Grill entfällt das Problem von Tischmanieren normalerweise. Und ist ein Tisch gedeckt, an dem man sich die Würstel vom Grill oder die Speisen portionsweise vom Buffet abholt, sollten nur einfache Bestecke aufgelegt sein. Unter diesen Voraussetzungen verlieren die sozialen Unterschiede an Schärfe, wodurch sich Nähe und mit ihr eine gewisse Vertrautheit einstellen können. Ganz einfach wird die Frage der Etikette auch, wenn man einfach nur zur Suppe lädt. Das kann köstlich sein, und löffeln kann ein jeder.
Bei einem gesetzten Essen bleibt dem Gastgeber, der die Irritation oder Verlegenheit einiger seiner Gäste bemerkt, immer noch die Möglichkeit, rechtzeitig und mit einer gewissen Deutlichkeit die richtigen Bestecke oder Gläser in die Hand zu nehmen, um damit jedermann zu demonstrieren, wie es gemacht wird. Ein unaufmerksamer Gastgeber wird vielleicht einfach »Guten Appetit« wünschen, selbst aber noch im Gespräch mit seinem Nachbarn oder seiner Nachbarin verweilen und die Verlegenheit einiger seiner Gäste gar nicht wahrnehmen.
Zu einem wunden Punkt sozialer Begegnung können sich auch unbedacht gewählte Gesprächsthemen auswachsen. Ein Thema, das nur einen Teil der anwesenden Personen berühren kann, einfach weil es den Übrigen fremd ist, sollte in Gesellschaft am besten gar nicht auf den Tisch kommen, auch wenn die meisten es durchaus interessant finden könnten. Weil sie aber zu wenig darüber wissen, um sich spontan an der Diskussion darüber zu beteiligen, werden sie ein Gefühl von Distanz entwickeln. Sie kommen dem Thema und damit auch dem Kern der Gruppe nicht nah genug, wodurch sie in eine Anspannung geraten, die sie noch weiter von der Gruppe distanziert.
Auch wer es liebt, sich allzu spontan und allzu witzig zu geben, läuft Gefahr, seine Partner von sich zu distanzieren, anstatt sie für sich einzunehmen. Denn die anderen entwickeln unter Umständen sehr schnell das Gefühl, es würde von ihnen erwartet, genauso locker und genauso witzig zu sein, was wiederum zu einer asymmetrischen Gefühlsbalance zwischen den Beteiligten führen kann. Es geht so lange gut, wie sich alle gut amüsieren, und der eine seine Rolle als Joker beherrscht und nicht übertreibt. Sobald sich jedoch bei den anderen ein Gefühl von Unterlegenheit breitmacht und eine Art Wettbewerbssituation aufbaut, weil sie glauben, auch etwas tun zu müssen, was sie aber nicht können, geht die Balance verloren. Der Spaß wandelt sich in Missgunst bei den einen und in Missvergnügen bei allen.
Viel größere Schwierigkeiten in der Ausgeglichenheit zwischen Nähe und Distanz im Umgang von Menschen untereinander ergeben Gesprächsthemen privater oder gar intimer Natur. Das Beste ist, man schweigt sich über private Fragen aus, es sei denn, man ist unter eng vertrauten Partnern. Dabei denke ich mir den Umkreis dessen, was Privates angeht, sehr weit gezogen. Es handelt sich dabei nämlich keineswegs um unmissverständlich
intime Fragen, sondern um alle sensiblen Lebensbereiche wie Gefühle, Hoffnungen, Leiden, Beschwerden, aber auch anscheinend lediglich materielle Dinge wie Geld, den Autotyp oder die Wohnverhältnisse. In all diesen Fragen und einigen mehr ist Zurückhaltung angesagt. Der Befragte könnte eine Asymmetrie im Vergleich zum Fragenden empfinden, und schon zieht er sich zurück, baut unwillkürlich eine Distanz zu seinem Gesprächspartner auf. Übrigens kann ein anderer, der zu viel von sich selbst erzählt, ganz ähnliche Wirkungen oder eigentlich immer wieder denselben Effekt hervorrufen. Solche Offenheit kann dem Gegenüber unerwünscht sein, weil er sich zu einer Stellungnahme herausgefordert sieht, die er nicht zu geben bereit ist, weil er die Leiden oder den Kummer des anderen doch nicht lindern kann oder will, oder weil ihm umgekehrt die Offenbarungen des anderen schlicht Neidgefühle erwecken. In jedem dieser Fälle wird er sich zurückziehen, das heißt, auf Distanz gehen.
Die Nähe der beiden Kolleginnen und ihre zueinander geneigten Körper bilden eine geschlossene Einheit. Die deutliche Distanz zur dritten Kollegin erweckt in dieser eine spürbare Unzufriedenheit. Sie fühlt sich ausgeschlossen.
Sie ergreift die Initiative und dreht den Spieß um, indem sie mit der außen sitzenden Kollegin durch die dominante Berührung der Kollegin in der Mitte über diese
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