Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
bewahren und bleiben dennoch ganz für uns.
Typisch für Frauen: Durch Schutz des vorderen Teils des Körpers entsteht Gemütlichkeit, Bei-sich-Sein, Vertrautheit mit sich selbst.
Zu den körpersprachlichen Signalen des Bedürfnisses, sich in sich selbst zurückzuziehen, gehört der gesenkte Blick genauso wie das Anziehen der Arme dicht an den Körper. Ich habe anfangs schon auf die für junge Mädchen typische selbstvergessene Körperhaltung hingewiesen: Sie schlingen ihre Arme im Sitzen um die zusammengenommenen Knie, sodass sie fast eine Kugel bilden. Hier bildet sich die Abgeschlossenheit des Rückzugs auf das eigene Ich exemplarisch ab. Sie wollen mit ihren Gefühlen, ihren Problemen, mit der Unausgewogenheit der modernen Welt allein sein wie auch mit sich selbst. Ähnlich schließen wir uns von der Außenwelt durch einen Schal oder eine Decke ab, die wir fest um unseren Körper wickeln. Wir bilden damit eine Art Kokon, in dem wir uns geborgen fühlen. Auch hier gilt, dass Distanz nichts Negatives bedeuten muss. Zum einen kann sie mich, wie eben beschrieben, zum eigenen Ich zurückführen, zum andern hilft sie mir, mich aus einem Griff, einer Umklammerung zu befreien, die mir unangenehm geworden ist. Das mögen eigene Gedanken sein, Abhängigkeiten oder die physische Nähe eines oder mehrerer anderer. Innere Probleme, die mich belasten, Erwartungen anderer an mich, die mich quälen - sie fallen in dem Augenblick von mir ab, in dem ich mich bewusst von ihnen distanziere. Wir können uns durch Distanz von ihnen befreien und machen damit Räume in uns frei, nicht nur für uns selbst, sondern auch dafür, wieder jemand anderen hineinzulassen.
Kontrapunkte: Beziehungsangst und das Bedürfnis nach Partnerschaft
Unsere Empfindlichkeit gegenüber jeder Form von Freiheitsverlust ist groß. Jeder Mensch versucht, seinen eigenen Raum, seinen Bewegungsspielraum, ob er nun geistig/seelisch oder real räumlich begriffen wird, zu verteidigen. Die Furcht davor, diesen Raum zu verlieren, ist eine der Gründe, aus denen Beziehungsangst entsteht. Die Vorstellung, sich wegen des anderen ändern zu müssen, obwohl man sich gar nicht ändern möchte, steigert diese Angst und verhindert das gemeinsame Errichten eines größeren Ich, eines neuen starken »Wir«. Nur wenn der Partner glaubhaft verspricht, jenen Freiraum zu gewähren, lässt sich die Beziehungsangst vielleicht überwinden. Das Gefühl, den eigenen Spielraum nicht aufgeben zu müssen, erleichtert den gefürchteten Schritt in die Bindung. Aber Vorsicht: Vielleicht ist der Raum sehr eng, vielleicht muss er mit jemandem geteilt werden! Es ist eine Investition von Vertrauen darauf, dass er mir wirklich zur Verfügung steht, wenn ich ihn brauche, um mich zurückzuziehen und der Partner es versteht, toleriert und ermöglicht.
Manchem Neuling in Sachen Partnerschaft kann es Schwierigkeiten bereiten, dass all die Dinge, die er bis dahin als sein Eigentum ansehen durfte, wie Bücher, Bilder, CDs, alte Schallplatten oder Möbel, nun auf einmal beiden gehören und von beiden benutzt werden. Er wird sich im freien, ungezwungenen Umgang mit den Dingen beengt fühlen und erst einüben müssen, dass es jetzt bei alledem heißen muss: Es gehört uns! Gelegentlich erwächst auch dann ein innerer Konflikt, wenn sich herausstellt, dass nur die eigenen gewohnten Gegenstände von beiden benutzt werden, weil der andere gar nichts einzubringen hatte, weil die Symmetrie in Geben und Nehmen fehlt. Zu hoffen bleibt, das die beiden Partner so begeistert voneinander sind, dass der Geber sich freut, wenn er den Nehmer, um es einmal so zu nennen, aus seinem Becherchen trinken und von seinem Tellerchen essen sieht, dass er ihm zu hören und zu lesen geben kann. Und hoffen wir zugleich, dass der andere sich nicht beschämt darüber zeigt und die Harmonie nun wieder dadurch in Schieflage gerät.
Die Angst vor dem Freiheitsverlust aber ist und bleibt das eigentliche Problem allen Anfangs von Zusammengehörigkeit: »Ich kann nicht mehr allein darüber entscheiden, was ich tun oder lassen will!« In Wahrheit sind wir jedoch immer von der Außenwelt, von »den anderen« abhängig. »Die anderen« also entscheiden darüber, ob sie meine Bedürfnisse erfüllen können oder wollen. Dennoch wird die Abhängigkeit vom Partner unmittelbarer spürbar. Ich werde mich also fragen müssen, wie stark mein Bedürfnis nach jenem neuen »Wir« ausgeprägt ist und ob ich überzeugt bin, dass es mein kleines Ich
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