umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
zuverlässige Sekretärin besorgt.
Nach nur viereinhalb Stunden Schlaf hatte ich nämlich pünktlich um halb elf im Bestattungsinstitut auf der Matte gestanden, hatte Kaffee gemacht, Papier und Stifte zurechtgelegt, noch mal ordentlich die Ergebnisse der Renovierungsarbeiten gelobt, den beiden Herren die Krawattenknoten korrigiert und Rudi bestätigt, dass seine Glatze tadellos sei, wie bei Meister Proper, auch ohne Piratentuch. Und dann begann das Warten. Keine Bewerberin um 11 Uhr und auch keine um 11.15, 11.30, 11.45 Uhr. Um 12 Uhr tauchte endlich eine Frauengestalt vor der Tür auf, fuhr mit dem Zeigefinger über das Firmenschild, entzifferte das Wort ›Bestattungen‹, verzog das Gesicht und ging wieder.
»Haben Sie in der Anzeige nicht geschrieben, dass es sich um ein Bestattungsinstitut handelt?«, fragte ich Matti. Der schaute seinen Mitarbeiter an. »Rudi?«
»Nicht direkt.« Rudi schob mir die Zeitung hin:
Verantwortungsvolle Verwaltungsmitarbeiterin für Firma in der Holz- und Gartenbranche gesucht. Attraktives Äußeres, gute Umgangsformen, Computerkenntnisse erwünscht. Bewerbungen bitte an die Personalabteilung: Herrn Rudolf Rolinski …
und dann folgte die Adresse und eine Handynummer.
»Nicht direkt ist ja wohl schwer untertrieben, was? Personalabteilung!? Also, Rudi!« Ich hielt Matti die Zeitung hin. »Das hätten Sie ruhig mal kontrollieren können.«
Er lächelte und schob die Zeitung beiseite. Er lächelte! Ganze eineinhalb Sekunden lang, und sagte zu Rudi: »Du musst dich nicht schämen. Wir sind Bestatter. Das kann man so schreiben.«
Rudi sank auf seinem Stuhl zusammen: »Ich dachte, dann meldet sich keine, wenn ich Bestatter schreibe. Mit Leichen will doch keiner was zu tun haben.«
»Wenn sich dann eine meldet, dann aber die Richtige«, sagte Matti und klang kein bisschen vorwurfsvoll.
»Ja, Chef. Noch ein Kaffee?«
Die Tür ging auf, und eine junge Frau trat ein. Ein Gothic Girl von Kopf bis Fuß: totenbleich gepuderter Teint, Totenkopf-T-Shirt, schwarzer Schlabberrock und Netzstrümpfe und Stiefel mit acht Zentimeter dicken Sohlen. Und weil es draußen nass und kalt war, trug sie einen schwarzen Ledermantel bis zum Boden und einen schwarzen Schirm mit einem Muster aus mittelgrauen Spinnennetzen.
Sie guckte uns drei auffordernd an, und ich glaube, wir glotzten ziemlich verdutzt zurück.
Rudi fand als Erster die Sprache wieder: »Sehen Sie immer so aus?«
»Passt doch hierhin. Endlich mal ein Job, bei dem was abgeht. Wann kann ich anfangen?«
Und vielleicht schläft sie auch in einem Sarg, dachte ich, hielt aber den Mund.
»Nun«, war alles, was Matti freundlich sagte.
Der Marilyn-Manson-Klon legte eine schwarze Bewerbungsmappe auf den Tisch. Ich blätterte sie kurz durch. Bis auf ihr Abitur waren weiter keine nennenswerten Fähigkeiten aufgeführt, die für den Job von Vorteil gewesen wären. Kneipenjobs, Komparsenrollen im Schauspielhaus und eine abgebrochene Lehre als Schreinerin ließen mein Herz nicht höher schlagen. »Was, denken Sie, befähigt Sie zu dem Job hier?«
»Ich hab echt keine Angst vor Leichen, und Schreibmaschine schreiben kann ich auch.« Sie nestelte einen Umschlag aus ihrer Umhängetasche und legte eine Urkunde der Volkshochschule vor. Computerkurs für Anfänger. Na wunderbar, dann konnte sie einen PC einschalten.
»Ich kenn mich total auf Friedhöfen aus«, schob sie hinterher.
Matti guckte Rudi an, aber der schüttelte den Kopf. Schließlich war die junge Frau nicht blond – also hatte sie bei ihm sowieso schon verloren.
»Okay, machen Sie Ihr Hobby nie zum Beruf. Das Casting für die Rocky Horror Show ist drei Straßen weiter. Vielen Dank«, sagte ich und gab ihr die Mappe zurück.
Sie zuckte mit den Schultern und stolzierte auf ihren Mega-Boots hinaus. »Ich dachte, ich krieg hier wenigstens mal was zu sehen«, maulte sie und ließ die Tür zufallen.
»Tut uns leid, Leichen sind grad aus«, schickte ich ihr hinterher.
»Was war das denn?«, entfuhr es Rudi.
Ich kam nicht dazu, ihm eine Antwort zu geben, denn schon stand die nächste Bewerberin auf der Matte. Nach einem knappen »Guten Tag« pflanzte sie sich auf den angebotenen Stuhl und blickte sich um. Keine halbe Minute später informierte sie uns schon über ihre Einstellung zur Arbeit, und zwar ausführlich: keine Überstunden, keine Feiertags- und Wochenendarbeit. Um halb drei möchte sie gerne nach Hause gehen, weil sie sonst nichts mehr vom Tag hat. Ihre Gehaltsvorstellung
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