umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
Jury? Du kennst dich doch aus, beim Casting und beim Bestatter-Job. Das wäre doch toll, Matti, oder?«
Wie auf ein geheimes Zeichen hin tauschten die beiden ihre Süßigkeitentüten. Matti schob sich eine Zuckerhimbeere in den Mund, während sich Rudi eine Handvoll Gummibärchen nahm.
»Das stimmt«, sagte Matti bedächtig und starrte auf den Fleck an meinem Hals. Ich zurrte rasch den Schal zurecht.
»Möchten Sie nicht dabei sein, Frau Margret? Ich lege Wert auf Ihr Urteil.«
»Echt, wir bauen uns so’n Tisch auf … wie bei Popstars«, erklärte Rudi. »Ich könnte auch noch so Licht von oben …«
»Ich hab leider keine Zeit, Herr Matti. Sie machen das schon. Rudi guckt sich die äußeren Qualitäten an und Sie die inneren. Das passt doch.«
»Na dann«, sagte Rudi enttäuscht. »Wir müssen. Bissitage dann.« Er setzte sich mit dem vollen Wagen in Richtung Kasse in Bewegung.
»Auf Wiedersehen, Frau Margret. Schön, dass wir uns getroffen haben. Passen Sie auf sich auf.« Matti schüttelte mir die Hand zum Abschied und ging.
Etwas hatte sich in den letzten Wochen, seit er aus dem Gefängnis gekommen war, verändert – jetzt sah ich, was es war: Matti ging hoch erhobenen Hauptes und mit geradem Rücken. Und der neue Anzug passte ganz vorzüglich. Und noch etwas fiel mir auf: Er wirkte gar nicht mehr so hager.
Rudi war schon bis zum Ende des Gangs gekommen, warf ein Gummibärchen in die Luft, kickte es noch mal mit dem Knie hoch, fing es mit dem Mund auf und drehte sich zu Matti um. »Chef, ich möchte eine Blonde«, sagte er und zeichnete mit beiden Händen eine kurvige Outline in die Luft.
Matti zuckte nur mit den Schultern. Rudi klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken: »Ich weiß, Matti, du willst am liebsten Frau Margret, aber die will ja nicht. Wir nehmen eine Blonde mit Grips, und wenn die einen guten Nachnamen hat, dann nehmen wir den auch. Wir können ihr dafür’n Fuffi geben, und alle Probleme sind gelöst.«
Bevor sie um die Ecke bogen, nahm Matti noch eine Großpackung Schokoriegel aus dem Regal, dann waren sie für einen Moment außer Sicht- und Hörweite, tauchten aber auf der anderen Seite des Regals plötzlich wieder auf. Rudi redete immer noch auf Matti ein: »Weißt du, Matti, wer nicht will, der hat schon. Wir finden jemanden, bestimmt. Wenn die Fernsehfuzziliesel nicht mit uns arbeiten will!«
»Rudi«, sagte Matti streng, und Rudi verstummte sofort.
Ich schob ein paar Kartons im Regal beiseite und konnte auf der anderen Seite sehen, dass Matti einen Notizblock aus seiner Jackentasche holte und etwas vehement durchstrich.
»Haben wir alles?«, fragte Rudi und schob den Wagen weiter.
»Nein, aber hier sind wir fertig«, sagte Matti tonlos. Seine Schultern senkten sich, und er schlurfte, wieder ganz der gewohnte Matti, hinter Rudi her.
»Herr Matti«, rief ich. Er kam zurück und schob auf seiner Seite des Regals ein paar Tüten Lakritzschnecken beiseite. Seine blauen Augen wirkten müde.
»Herr Matti, wann ist denn das Casting?«
»Um elf.«
»Wie viele Bewerberinnen erwarten Sie denn?«
»Zwölf.«
»Das ist eine Menge.«
»Ja.«
»Das wird bestimmt stressig.«
»Ja.«
»Wissen Sie was, ich komme vorbei und mache Kaffee und so. Mir ist grad eingefallen, dass ich mit dem Taxi erst übermorgen in die Waschanlage muss«, log ich.
Mattis Augenlider klappten einmal zu und wieder auf. Das Strahlen in seinen blauen Augen war wieder da. »Das ist schön. Bis morgen.«
»Bis morgen.«
Und ich kümmere mich jetzt um die Nummer 13 bei Tisch, frohlockte ich und holte mein Diensthandy aus der Tasche. Bevor durch Rudis Einfluss dralle Blondinen im Vorzimmer von Mattis schönem Bestattungsinstitut, wie auch immer es heißen würde, saßen und sich die Fingernägel feilten, wollte ich wirklich mal was Gutes tun und rief Mia an. Die hatte sogar einen normal klingenden Nachnamen – Hoffstiepel. Alter Wattenscheider Adel. So, Rudi, und schon sind alle Probleme gelöst – bis auf deins. Aber für so einen lustigen Vogel wie dich gibt es da draußen bestimmt die eine oder andere Blondine, die auf Tätowierungen, Sixpack und Knasthumor steht. Mir fielen auf der Stelle drei ein: Fiona, Jacqueline und Jessi, Ellis Arbeitskolleginnen.
05
Soll mal einer sagen, dass Maggie Abendroth nicht in der Lage ist, ihren Freunden zu helfen. Auf der Positivseite meiner Samariterliste fanden sich bereits zwei sehr schöne Punkte: 1. Für Oma Berti im Großmarkt gewesen und 2. Matti eine
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