Umzug ins Glück
alles so Schritt für Schritt passiert. Wenn es mir mal so gehen sollte wie Scheherazade,
dann könnte ich auch nächtelang dazu Geschichten erzählen.«
Ich sah mir die Bilder noch mal genau an. Dann zeigte ich auf eins, das mich an meinen neuen Plan erinnerte: ein Aquarell
in Pastelltönen. »Was für eine Geschichte verbindest du damit?«
Er warf einen raschen Blick in den Ofen, aus dem es bereits erfreulich duftete – ich tippte auf etwas mit Käse Überbackenes –, und kam dann näher, um das Bild zu betrachten. »Ach das«, sagte er. »Das habe ich einer jungen Frau abgekauft, mit der
ich bei einem Straßenmarkt in London ins Gespräch gekommen bin. Sie hatte sonst fast nur knallig bunte Bilder, deshalb fiel
dieses ein bisschen aus dem Rahmen. Sie nannte es ›Chelsea Morning‹, wie das Lied von Joni Mitchell. Gefällt es dir?«
»Ich mag diese Farben«, sagte ich. »Seit neustem. Eigentlich bin ich erst vorgestern dahintergekommen.«
»Aha«, sagte er, zurück am Herd, wo er eifrig in einem Topf rührte.
»Was meinst du mit ›aha‹?« Ich war immer misstrauisch bei solchen Solo-Lauten. Das ist genau wie das ominöse »ouh« eines Handwerkers.
Man sollte es in den Duden aufnehmen als Bezeichnung für den Ausruf, wenn bei einer Leistung jedweder Art unerwartete Komplikationen
auftreten und den ursprünglich veranschlagten Zeit- und Kostenrahmen sprengen. Die Steigerung wäre dann »ouh, ouh« mit der
Bedeutung ›fast immer irreparabler Schaden, der für den Hausherrn sehr teuer wird‹. Und je langsamer er es sagt, desto höher
sind die Kosten.
»Ich meine damit, dass sich für dich im Moment ganz schön viel ändert«, sagte er und holte eine Packung H-Sahne aus dem Kühlschrank. »So ist es doch, oder?«
»Da könntest du recht haben.« Ich beobachtete beunruhigt, wie er die Packung aufschnitt und den Inhalt in seinen Topf laufen
ließ. »Sag mal, willst du da die ganze Sahne reintun?«
»Nur etwa zwei Drittel.«
»Könntest du nicht die Hälfte durch … Milch ersetzen oder so was?«
»Auf keinen Fall.« Er stellte die Packung in den Kühlschrank zurück, immerhin ein Zeichen dafür, dass noch etwas drin war.
»Hast du damit ein Problem?«
»Na hör mal«, ereiferte ich mich. »Du bist doch derjenige, der Vorträge darüber hält, dass es von allem nicht so viel sein
muss und so. Und Sahne hat nun mal eine Menge Fett.«
»Fett ist ein Geschmacksträger«, erklärte er sachlich. »Und ohne Sahne wird diese Sauce nicht schmecken. Wenn die Sauce nicht
schmeckt, ist auch das Fleisch nur halb so gut. Und das Leben ist zu kurz, um mittelmäßige Sachen zu essen.«
Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »Manchmal denke ich, du biegst dir immer alles so hin, wie es dir gerade passt. Kann
das sein?«
Wie um mich zu provozieren, holte er jetzt auch noch ein Paket Butter aus dem Kühlschrank. »Das kann nicht sein«, sagte er
grinsend. »Mia, ich finde das nicht so schwierig. Man reduziert einfach sein Leben auf die wirklich guten Sachen. Und wenn
ich dich schon zum Essen einlade, dann sind eindeutig die guten Sachen angesagt.«
»Hm.« Auch so ein Solo-Laut, der ihm vermutlich anzeigte, dass ich seine These noch überdenken musste.
Nick ging direkt zum nächsten Thema über. »Möch test du Weißwein oder Rotwein trinken?«
»Hm«, machte ich erneut. »Rotwein trinke ich gern, aber immer nur ein oder zwei Gläser. Weißwein ist besser, wenn ich ein
langfristiges Getränk für den ganzen Abend brauche. Aber weil ich noch fahren muss …«
»Dann hole ich mal den Rotwein«, sagte Nick.
Während er verschwunden war, sah ich mir noch mal die Küche an. Es war schon ein Kunststück, einen Raum funktional zu gestalten,
ohne dass er so klinisch und unnahbar wirkte wie ein Labor. Ich versuchte nachzuvollziehen, wie das kam. Die grüne Bilderwand
hatte vermutlich einen großen Anteil daran. Ansonsten gab es keinen Schnickschnack – das hätte mich bei Nick auch gewundert –, aber die Oberschränke hatten Glasfenster, sodass man den Inhalt sehen konnte. Und natürlich stand Nicks Geschirr nicht
wie bei anderen Leuten eng gedrängt, damit auch noch die Käsereibe und die leere Butterdose Platz fanden, sondern ordentlich
aufgereiht wie Soldaten beim Appell.
Bisher hatte ich immer gedacht, das gäbe es nur auf Werbefotos. Ich kannte sonst niemanden, bei dem das so funktionierte.
Vielleicht war es für Männer ein bisschen leichter, weil sie selten
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