Umzug ins Glück
Tapetenkleister
gekocht waren. Das war nicht mehr wichtig. Wichtig war, wie Nick aufstand, mich noch einmal vom Stuhl zog und seine Stirn
gegen meine lehnte. Wie ich, mit einer Kühnheit, die ich mir nie zugetraut hätte, meine Hände unter sein T-Shirt schob, um seine warme Haut zu spüren.
Dann taten wir etwas, wofür ich meinem Sohn eine Riesenszene gemacht hätte: Wir ließen einfach alles stehen, ohne aufzuräumen,
und gingen ins Bett.
Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich diesen Teil nicht im Detail beschreibe. Dafür bin ich zu konservativ, und dafür
ist es zu privat. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es dabei nicht zu solchen peinlichen Missgriffen kam wie die Verwechslung
von Zucker und Salz. Es gab auch überhaupt kein Problem mit unserem unterschiedlichen Erfahrungsstand. Es war einfach ein
absolut schönes, sinnliches Erlebnis, und ich merkte, dass man auch nach langer Zeit der Abstinenz nichts verlernt. Im Gegenteil.
Aber wie gesagt. Die Einzelheiten gehen keinen was an.
15
Natürlich war ich am nächsten Morgen etwas verunsichert. Ich wurde wach und sah mich in einem großen schwarzen Spiegel: Nicks
Flachbildschirm. Auf merkwürdige Weise fühlte ich mich beobachtet. Ich erinnerte mich an Politthriller, Paris Hiltons Schmuddelvideo,
an Erpressungsversuche, für die arme Milliardärinnen gefilmt worden waren …
»Na endlich bist du wach«, sagte Nicks Stimme neben mir. Er war es, der mich beobachtet hatte. Ich drehte mich zu ihm um.
Er hatte den Kopf auf den Arm gestützt und mir beim Schlafen zugesehen.
»Wir müssen das sofort beenden«, sagte ich. »Ich kann nicht noch einmal mit einem Frühaufsteher zusammenleben.«
»Ich bin kein Frühaufsteher«, sagte Nick. »Heute ist eine Ausnahme. Eigentlich bin ich eher eine Nachteule. Deshalb habe ich
auch mein Büro zuhause und nicht in der Baugesellschaft.«
»Aber das geht auch nicht«, klagte ich. »Zwei Langschläfer zusammen, wo soll das denn enden?«
»Da, wo wir jetzt sind«, sagte er zufrieden und zog mich näher an sich. »Nun sag mir, was du willst – eine Lerche oder eine
Nachtigall? Dann muss ich mich dementsprechend erziehen. Ich werde dich jedenfalls nicht wegen so einer Lappalie wieder gehen
lassen.«
Ich kuschelte mich in seine Armbeuge. Das sollte er bloß mal versuchen, mich gehen zu lassen. Er ahnte gar nicht, was für
eine Klette ich sein konnte, vor allem, wenn es nach meinen momentanen Gefühlen ging. Gestern, kurz vor dem endgültigen Einschlafen,
hatte ich kurz darüber nachgegrübelt, wie das wohl am nächsten Morgen sein würde. Es war besser als erwartet, keine Schuldgefühle,
keine Verlegenheit, kein Bedauern. Nur sehr angenehme Erinnerungen. Und der Wunsch, dass das nicht bloß Erinnerungen blieben.
Nick ging es offensichtlich ähnlich. Seine Hand glitt sachte an meinem Rückgrat herunter und verursachte ein Kribbeln, das
Lust auf mehr machte.
»Wie spät ist es?«, murmelte ich.
»Irrelevant«, sagte der Mann neben mir. »Heute ist Sonntag. Da gibt es nur zwei akzeptable Begründungen, um das Bett dauerhaft
zu verlassen.«
»Und die lauten?«
»Quälende Hungerkrämpfe und unüberbrückbare Differenzen.«
»Es gibt noch eine«, widersprach ich.
»Und die wäre?«
»Das Ausräumen von Paulas Haus.«
»Das ist ein Sonderfall«, sagte Nick. »Und Sonderfälle werden Sonntags erst nach elf Uhr diskutiert. Steht in der Hausordnung.«
»Soll mir recht sein«, sagte ich. »Ich bin kein Mensch, der Revolutionen gegen die bestehende Ordnung anzettelt.«
»Braves Mädchen«, flüsterte er mir zu, bevor er Dinge tat, die sich doch recht revolutionär anfühlten. Aber ich widersetzte
mich nicht. Ich bin wohl eher der Mitläufertyp.
Zusammen fuhren wir später zu Paulas Haus, um die Reste der Verkaufsaktion aufzuräumen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen,
weil wir Jan Hörnum damit allein gelassen hatten, aber Nick sah das nicht so. »Er hat das angeleiert, also ist es auch seine
Sache.«
Oje. Er hatte wohl doch noch schlechte Laune. »Ich hoffe, Frau Grützbauer hat ihm wenigstens beim Zusammenpacken geholfen.«
»Meinst du, er hätte so viel Strafe verdient?«, fragte Nick.
»Hör mal, das ist unsere zukünftige Nachbarin«, sagte ich. »Wir sollten da gar nicht erst so ein Feindbild aufbauen.«
»Was heißt hier aufbauen?«, brummte er. Aber als er mich kurz zwischendurch ansah, lächelte er. »Ich dachte, vielleicht könnten
wir Jan Hörnum dazu
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