Umzug ins Glück
Fußböden abschleift«, erklärte ich ihm. »Und wenn Handwerker Zeit haben, dann
steht man ihnen nicht im Weg.« Das war natürlich auch wieder ein Freund von Nick, der ähnlich nach dem Jetzt-oder-nie-Prinzip
gesagt hatte, er könnte entweder nächste Woche oder nächstes Jahr. Wir hätten die Wahl.
Draußen ging gerade der Mann mit den vielen Freunden vorbei, beladen mit einer Wanne voll undefinierbarem Plunder aus Onkel
Rudolfs Werkzeugkeller. Wir hörten es laut scheppern, als er den Container erreicht hatte.
Jan Hörnum sah ihm auch hinterher. »Er ist es, der den Druck macht, stimmt’s? Warum hat er eigentlich so schlechte Laune?«
»Das liegt an Ihrem Garagenverkauf«, fuhr ich ihn an. »Erinnern Sie sich an dieses Wiesel, das die Familienfotos und den Kulturbeutel
gekauft hat?«
»Natürlich, der Kulturbeutel«, sagte er. »Ich hatte erst noch überlegt, ob ich den selbst behalte. Da waren schöne lederne
Etuis drin.«
»Hätten Sie man bloß«, klagte ich. Und bevor ich so richtig darüber nachgedacht hatte, ob es klug war, hatte ich ihm schon
die ganze Geschichte erzählt.
»Einen Gentest? Nach so vielen Jahren?« Jan Hörnum war ganz überrascht. »Geht das überhaupt?«
»Ich denke schon«, sagte ich erbost. »Und wenn sich herausstellt, dass das stimmt, dann wird er seinen Teil am Erbe fordern.«
»Vielleicht will er ja nur wissen, wer sein Vater war«, gab Jan Hörnum zu bedenken. »So was ist für manche Menschen ganz wichtig.
Zur Selbstfindung, Sie wissen schon.«
»Mag sein«, sagte ich. »Aber Horst macht das nicht nur, um sich endlich ein Foto seines Papas übers Bett hängen zu können.
Der ist Spezialist für Nachlassermittlung, der will auch Geld sehen, glauben Sie mir.«
»Die arme Paula«, sagte er mitfühlend.
»Genau. Und deshalb ist Nick so sauer. Er würde gern das ganze Thema von ihr möglichst fernhalten, aber er weiß nicht, wie.«
Jan Hörnum sah kummervoll aus dem Fenster, wo Nick gerade wieder des Weges kam. Ich hatte den Eindruck, er wollte sich seinen
Frust regelrecht körperlich abarbeiten. »Und da kann man gar nichts machen?«, fragte Jan.
»Nick hat schon überlegt, im Büro einzubrechen und den Kulturbeutel zu stehlen«, sagte ich. »Aber wir wissen ja noch nicht
mal, ob er dort ist. Und man müsste auf jeden Fall auch die Kasse mitnehmen, damit es nicht so auffällt.«
»Das ist keine Lösung«, meinte er. »Wenn Laien so was versuchen, machen sie immer irgendwelche Fehler.« Mit der moralischen
Fragwürdigkeit eines solchen Unterfangens hielt er sich gar nicht erst auf. »So wie ich es sehe«, fuhr er fort, »ist der einzig
gangbare Weg, diesen Horst dazu zu bringen, das Ding freiwillig herauszugeben.«
»Und wie wollen Sie das machen?«, fragte ich abfällig.
»Das weiß ich noch nicht«, sagte er gelassen. »Aber ich werde mal darüber nachdenken.«
»Tun Sie das«, versetzte ich etwas bissig und ging zurück ins Schlafzimmer, Paulas Bettwäsche ausräumen. Mit dem, was sie
übrig gelassen hatte, könnte man vermutlich ein moldawisches Altersheim komplett ausstatten. Seufzend ging ich neue Kartons
holen.
Nick war nicht glücklich mit den ganzen Kisten, die ich an irgendwelche Sozialeinrichtungen stiften wollte, statt den Inhalt
einfach in den Container zu werfen. »Da bist du schon allein Stunden damit beschäftigt, die Sachen durch die Gegend zu fahren«,
argumentierte er.
»Mag sein«, hielt ich dagegen. »Aber erstens ist es meine Zeit …«
»Die du besser mit mir verbringen solltest«, warf er ein.
»… und zweitens fühle ich mich besser dabei«, vollendete ich meinen Satz.
Dagegen versuchte er nicht anzudiskutieren. »Wenn es dich glücklich macht«, seufzte er. »Sag mal, was liegt da eigentlich
in meinem Auto?«
»Eine Handtasche von Tante Paula, die ich gern als Andenken behalten möchte.«
Aber so leicht ließ er sich nicht ablenken. Er fasste mich um die Taille und schob mich näher an das Auto heran. »Das ist
nicht nur eine Handtasche«, sagte er. »Oder geht man in Paris neuerdings mit blauen Müllsäcken auf die Straße?«
»Na gut, die ganze Wahrheit«, gestand ich. »Da ist erst mal ein Satz Bettwäsche mit Richelieustickerei, wunderschön, glaub
mir. Die ist zu schade für Moldawien.« Aber für mein eigenes Bett (das zukünftige mit dem filigranen Metallgestell, das ich
vorgestern im Prospekt von Möbel Augustin gesehen hatte) war sie genau richtig. Das würde er selber
Weitere Kostenlose Bücher