Umzug ins Glück
zu einem anderen Zeitpunkt
beichten, vielleicht wenn wir mal wieder in Bernhard’s Grillstübchen das Tagesgericht verzehrten, aber im Augenblick war es
noch wie ein Geheimnis, das ich für mich behalten wollte. Mein Herz schlug schneller, als ich sah, dass er mir eine E-Mail geschrieben hatte. Es war allerdings kein Storm-Gedicht, sondern eine vordergründig sehr trockene Information darüber, dass
der Silvretta-Transport heute kam und er sich darum kümmern würde, dass der Siebeneinhalbtonner des Obdachlosenprojekts für
Mittwochmorgen angekündigt sei, auch das würde er regeln, und dass Frau Grützbauer eine Frage hätte, die ich bearbeiten müsste.
Klar, das ging ja gut los, die unangenehmsten Dinge blieben gleich an mir hängen.
Es war nicht zu erwarten, dass Horst so rasch wieder vorbeikommen würde, möglichst noch mit am Handgelenk baumelnder Plastiktüte.
Vermutlich hatte er gerade den Inhalt seines Beutestücks auf seinem Schreibtisch ausgebreitet, zählte die Haare, die er für
den Test zur Verfügung hatte, und suchte noch den Taschenboden nach Fingernagelresten ab. Deshalb rief ich die Grützbäurin
sofort an. Dann hatte ich es wenigstens hinter mir.
Noch während es durchklingelte, bemerkte ich, dass Nick einen Anhang an seine Mail gehängt hatte. Was konnte das sein? Ich
klickte auf das Icon, und bis sich Frau Grützbauer mit ihrer üblichen weinerlichen Stimme meldete, öffnete sich eine Grafik,
in der Nick mein zukünftiges Schlafzimmer gezeichnet hatte. Nun hatte ich schon eine Skizze davon gesehen, eine sachliche
Darstellungvon der Tür aus betrachtet, in der er die Position eines Bettes, des Kleiderschranks und vor allem der statt des Fensters
einzusetzenden Sprossentür zum Garten hinaus angedeutet hatte. Aber jetzt gab es mehr Einzelheiten. Nicht nur, dass das Bett
deutlich breiter war und ansatzweise über rosa gestreifte Bettwäsche verfügte. Auch sonst hatte er einige Details hinzugefügt,
zum Beispiel zarte Vorhänge, die sich vor der offenen Tür nach draußen bauschten, ein paar Pflanzen, ein kleines Tischchen,
auf dem eine Flasche und zwei Gläser standen.
Ich starrte atemlos auf das Bild. Es fühlte sich an, als müsste ich platzen vor Rührung, weil er so genau getroffen hatte,
wovon ich träumte. Dieser Mann war ein Geschenk des Himmels. Noch dazu eins, das ich jahrzehntelang nur verächtlich herumgeschubst
hatte, ohne zu ahnen, was sich darin verbarg.
»Hallo? Hallo?«, jammerte Frau Grützbauer. »Wer ist denn da?«
Oh. Ich meldete mich zurück in den Alltag. »Sie hatten eine Frage, Frau Grützbauer?«
»Ach, Sie sind es«, stellte sie erleichtert fest. Vermutlich hatte sie schon mit einem perversen Stalker gerechnet, als ich
mich nicht sofort gemeldet hatte. »Ja, ich hätte da eine Frage.«
»Fragen Sie«, sagte ich. Das Bild vor mir machte mich großmütig, ausgeglichen, bereit, der ganzen Welt einen Gefallen zu tun.
»Wegen Ihrem Container vor dem Haus.«
»Was ist damit?«
»Ich hätte da noch ein paar Sachen, die …«
»Werfen Sie sie rein«, sagte ich großzügig. In diesem Moment konnte man mich um fast alles bitten. Und ein bisschen Schrott
mehr konnte der Container bestimmt noch verkraften.
»Nein, nein, es ist eher die Frage, ob ich mir da noch was rausholen kann«, winselte sie. »Ich hab da drin so ein Tischchen
gesehen, das …«
Ich überlegte, dass sie den Inhalt des Containers eigentlich nur mit Hilfe einer Leiter hatte inspizieren können. Hatte sie
sich diese Nacht mit einer Taschenlampe und einem Alugestell bewaffnet und vor dem Container aufgebaut? Aber um mit Nicks
Worten zu sprechen, wollte ich es gar nicht so genau wissen.
»Frau Grützbauer«, sagte ich in einem Ton, mit dem vermutlich schon Ludwig der Vierzehnte seinen Untertanen an einem guten
Tag ihre Petitionen gewährte, »Sie können gern alles haben, was da drin ist. Ich möchte nur betonen, dass wir keine Haftung
übernehmen, dass die Sachen noch intakt sind, und dass Sie das auf eigene Gefahr tun.« Es hätte uns noch gefehlt, wenn sie
uns nächste Woche anzeigen würde, weil sie sich beim Wühlen an etwas Scharfkantigem geschnitten hatte.
»Keine Sorge«, sagte sie eilig. »Das ist sehr freundlich von Ihnen. Wir werden bestimmt eine gute Nachbarschaft haben. Ihre
Tante war ja immer etwas zurückhaltend.«
Mit gutem Grund, dachte ich, und wir werden das auch sein. Du wirst schon sehen. Laut sagte ich: »Dann noch einen
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