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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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ein halb mit Erde gefüllter Bottich aus Eichenholz.
    »Ich weiß ja, dass manche Leute Weihnachtsbäume klauen ...«
    »Die Nachbarn haben uns gewarnt«, antwortete sie.
    »Achja?«
    »Ja, Nummer 47 hat uns geraten, den Baum an der Wand anzuketten. Du hast gesagt, dir würde das Anketten von Bäumen so wenig zusagen wie in Ketten gelegte Bären oder Sklaven.«
    »Hab ich das gesagt?«
    »Ja.«
    »Kommt mir ziemlich schwülstig vor.«
    Sie hakte sich mit einem in Frottee gehüllten Arm bei ihm ein, und beide gingen ins Haus zurück.
    »Sollen wir die Polizei rufen?«
    »Der Baum ist wahrscheinlich schon in den hintersten Winkel von Essex verpflanzt«, erwiderte er.
    »Das bringt doch kein Unglück, oder?«
    »Nein, das bringt kein Unglück«, sagte er bestimmt. »Wir glauben nicht daran, dass es Unglück bringt. Da hat nur irgendein Spitzbube den Baum mit den verschneiten Blättern gesehen und wurde von einer seltenen Anwandlung ästhetischer Wonne ergriffen.«
    »Du bist heute ja grenzenlos milde gestimmt.«
    »Muss wohl an Weihnachten liegen. Übrigens, du wolltest doch zwischen Rosenhain und laubiger Pracht ein Wasserspiel anlegen?«
    »Ja.« Sie ging nicht auf seine parodistische Ausdrucksweise ein.
    »Was ist mit den Mücken?«
    »Wir lassen das Wasser ständig zirkulieren. Dann haben wir keine.«
    »Wie?«
    »Elektrische Pumpe. Wir können ein Kabel von der Küche herauslegen.«
    »In dem Fall habe ich nur noch einen Einwand. Können wir es bitte, bitte nicht Wasserspiel nennen? Wasserfall, Kaskade,Lilienteich, Minibächlein – alles, nur nicht Wasserspiel.«
    »Ruskin hat gesagt, er habe immer besser arbeiten können, wenn er fließendes Wasser hörte.«
    »Musste er da nicht ständig pinkeln?«
    »Warum sollte er?«
    »Weil das bei Männern so ist. Vielleicht solltest du gleich daneben ein Toilettenspiel anlegen.«
    »Du hast heute wirklich ein sonniges Gemüt.«
    Vielleicht lag es am Schnee, der heiterte ihn immer auf. Aber es lag auch daran, dass er sich insgeheim um einen Schrebergarten beworben hatte, in der Kolonie zwischen der Kläranlage und den Eisenbahngleisen. Dem Vernehmen nach war die Warteliste gar nicht so lang.
    Zwei Tage später wollte er zur Arbeit gehen, machte die Haustür zu und trat direkt in einen Erdhaufen.
    »Diese Schweine !« Diesmal rief er es der gesamten Straße zu.
    Sie waren wiedergekommen, hatten den Bottich aus Eichenholz mitgenommen und ihm die Erde dagelassen.
    Das Frühjahr stand im Zeichen einer Reihe samstagmorgendlicher Fahrten zum nächsten Gartencenter. Ken setzte Martha am Haupteingang ab, fuhr auf den Parkplatz und hielt sich länger als nötig damit auf, den Rücksitz herunterzuklappen, um Platz zu schaffen für alles, was die neueste Lektüre seiner Frau an Kompost, Lehmboden, Torf, Rindenmulch oder Kies ratsam erscheinen ließ. Dann setzte er sich vielleicht noch ein Weilchen ins Auto und sagte sich, er sei sowieso keine große Hilfe bei der Auswahl. Er zahlte bereitwillig für die Ladung des gelben Plastikwagens, der Martha gewöhnlich zur Kasse begleitete. Ja, das schien ihm das perfekte Arrangement zu sein: Er fuhr siehin, blieb im Auto sitzen, holte sie an der Kasse ab und zahlte, dann fuhr er sie nach Hause und bezahlte noch einmal mit der Anstrengung, das ganze Zeug aus dem Auto zu holen, durchs Haus in den Garten zu schleppen und sich dabei womöglich einen Bruch zu heben.
    Es hatte bestimmt etwas mit seiner Kindheit zu tun, mit grauenhaften Erinnerungen daran, wie er in Baumschulen herumstapfte, während seine Eltern Freilandpflanzen aussuchten. Nicht, dass er jetzt noch seinen Eltern die Schuld geben wollte: Wenn sie Feinschmecker und Weinkenner gewesen wären, hätte er sich womöglich zum abstinenten Veganer entwickelt, aber er hätte doch selbst die Verantwortung dafür übernommen. Dennoch hatten Gartencenter – die mit ihren Bottichen, Pflanztöpfen und Spalieren, ihren Samenbeuteln, Schösslingen und Sträuchern, ihren Bindfadenknäueln und in grünes Plastik eingeschweißten Drahtrollen, ihrem Schneckenkorn und ihren Fuchsabwehrmaschinen und Bewässerungsanlagen und Gartenfackeln ein verlogenes rus in urbe verbreiteten, all diese grünenden Gänge voller Hoffnung und Versprechen, in denen freundliche Sandalenträger mit sich schälender Haut herumstreiften und rote Plastikflaschen mit Tomatendünger schwenkten – das alles hatte etwas an sich, das ihm mächtig auf den Zeiger ging.
    Und es erinnerte ihn immer an die letzten Jahre seiner

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