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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Ausfallstraßen von London angebaute Gemüse voraussichtlich aufweisen würde. Er hatte eingewandt, dass die meisten Autos heutzutage mit bleifreiem Benzin fuhren.
    »Dann eben Diesel«, hatte sie erwidert.
    Er sah – immer noch – nicht ein, warum er nicht hinten an der Gartenmauer, wo schon ein Brombeerstrauch stand, einkleines quadratisches Beet anlegen durfte. Dort könnte er vielleicht Kartoffeln und Mohrrüben anbauen. Oder Rosenkohl, der seine Süße, wie er einmal gelesen hatte, gleich nach dem ersten strengen Frost entwickelt. Oder Saubohnen. Oder irgendwas anderes. Sogar Salat. Er könnte Blattsalat und Kräuter ziehen. Er könnte einen Komposthaufen anlegen, und dann könnten sie noch mehr recyceln als jetzt schon.
    Aber Martha war dagegen. Sie hatten kaum ein Angebot auf das Haus abgegeben, als Martha schon anfing, Artikel diverser Gartenbauexperten auszuschneiden und abzuheften. Viele behandelten das Thema »Wie mache ich das Beste aus einem schwierigen Stück Land?«, und was man als Besitzer eines Reihenhauses sein Eigen nannte – einen langen, schmalen, von gräulich-gelben Steinmauern umgrenzten Streifen – war unbestreitbar »ein schwieriges Stück Land«. In den schickeren Gartenzeitschriften rieten sie gern, das Beste daraus zu machen, indem man es in mehrere kleine, anheimelnde Bereiche mit unterschiedlicher Bepflanzung und unterschiedlicher Funktion aufteilte, vielleicht durch einen gewundenen Pfad verbunden. Vorher-nachher-Bilder demonstrierten die Verwandlung. Statt eines sonnigen Plätzchens war da ein kleiner Rosengarten, ein Wasserspiel, ein Rondell mit Pflanzen, die allein nach der Farbe ihrer Blätter ausgesucht worden waren, ein von Hecken umschlossenes Geviert mit einer Sonnenuhr und so weiter. Manchmal beriefen sie sich auf japanische Lehren der Gartenkunst. Ken, der sich wie die meisten Anwohner der Straße für in Rassenfragen tolerant und aufgeschlossen hielt, erklärte Martha, die Japaner hätten zwar viele bewundernswerte Eigenschaften, aber er wüsste nicht, warum sie einen japanisch angehauchten Garten anlegen sollten, schließlich liefe Martha auch nicht imKimono herum. Insgeheim hielt er das alles für hochgestochenen Quatsch. Eine Terrasse zum Draußensitzen, am besten mit Grillplatz, dazu noch Rasen, Rabatten, ein Gemüsebeet – so sah für ihn ein Garten aus.
    »Ein Kimono würde mir doch gut stehen, meinst du nicht auch?«, hatte sie gefragt und damit seine Argumentation auf den Kopf gestellt.
    Und überhaupt, so versicherte sie ihm, nehme er das alles viel zu wörtlich. Sie sollten sich ja keine blühenden Kirschbäume, Kois und Gongs zulegen; vielmehr gehe es um die vernünftige Interpretation eines allgemeinen Prinzips. Im Übrigen hätten ihm ihre Lachsfilets in Sojamarinade doch immer geschmeckt, oder nicht?
    »Ich wette, die Japaner bauen auch Gemüse an«, hatte er mit aufgesetzter Brummigkeit geantwortet.
    Marthas Interesse für den Garten hatte ihn überrascht. Als sie sich kennenlernten, besaß sie einen Blumenkasten, in dem sie ein paar Kräuter zog; später, als sie zusammenzogen, bekamen sie Zugang zu einer gemeinschaftlichen Dachterrasse. Dort legte sie sich einige Terrakotta-Kübel mit Schnittlauch, Minze, Thymian und Rosmarin zu, wovon ein Teil, wie sie beide vermuteten, von ihren Nachbarn geklaut wurde; dazu kam noch der Lorbeerbaum, den ihre rührseligen Eltern ihnen als Unterpfand ehelichen Glücks geschenkt hatten. Der Baum war ein paar Mal umgetopft worden und stand nun unverrückbar in einem dicken Holzbottich vor ihrer Haustür.
    Die Ehe ist eine Zwei-Personen-Demokratie, sagte er gern. Irgendwie war er davon ausgegangen, dass Entscheidungen über den Garten so getroffen würden wie die über das Haus, in einem von Vernunft geleiteten und zugleich mit Leidenschaft betriebenen Beratungsprozess, in dem Bedingungen aufgestellt, unterschiedliche Vorlieben berücksichtigtund Finanzen veranschlagt wurden. Infolgedessen gab es im Haus praktisch nichts, was er regelrecht hasste, und vieles, was seinen Beifall fand. Jetzt ärgerte er sich im Stillen über die ständig eintrudelnden Kataloge für Teakholzmöbel, die Gartenbauzeitschriften, die sich auf Marthas Nachttisch stapelten, und über ihre Angewohnheit, ihn zum Schweigen zu verdonnern, wenn im Radio die Stunde für den Gartenfreund kam. Er erlauschte etwas von Kräuselkrankheit und Schwarzfleckenkrankheit, von einer neuen Gefahr, die Glyzinien drohte, und Ratschläge, was man am besten unter einem

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