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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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aufgepasst hatte, fragte: »Habt ihr irgendwo einen Wasserhahn laufen lassen?«
    Kenschaute zu Martha hin, wollte die Gelegenheit aber nicht ausnutzen. »Das ist wahrscheinlich nebenan«, sagte er. »Da geht es ziemlich drunter und drüber.«
    Martha sah ihn dankbar an, darum dachte Ken, es wäre in Ordnung, wenn er seine Geschichte mit dem Test-Set für Bodenanalysen erzählte. Er spann sie ziemlich weit aus, zeichnete ein ausgiebiges Selbstporträt von sich als verrücktem Chemiker und zögerte die Pointe so lange wie möglich hinaus.
    »Und dann kam ich rein und sagte zu Martha: ›Ich hab leider schlechte Nachrichten. In deiner Erde ist keine Erde.‹«
    Er wurde mit Gelächter belohnt. Und Martha stimmte mit ein; sie wusste, diese Geschichte würde von nun an zu seinem ständigen Repertoire gehören.
    Ken fühlte sich bestätigt und beschloss, die Gartenfackeln anzuzünden, meterhohe Wachstürme, die hellauf loderten und ihn vage an römische Triumphzüge denken ließen. Außerdem schaltete er bei der Gelegenheit das aus, was er bei sich immer nur das Wasserspiel nennen würde.
    Inzwischen war es eher kalt als kühl geworden. Ken schenkte Rotwein nach, und Martha schlug vor, ins Haus zu gehen, was alle höflich ablehnten.
    »Wo bleibt der Treibhauseffekt, wenn man ihn mal braucht?«, fragte Alex fröhlich.
    Dann redeten sie über Heizpilze – die wirklich was brachten, aber so umweltschädlich waren, dass es asozial wäre, einen zu kaufen – und CO2- Ausstoß und nachhaltige Fischerei und Bauernmärkte und Elektroautos im Vergleich zu Biodiesel und Windparks und Solarheizungen. Ken hörte das warnende Summen einer Mücke an seinem Ohr; er kümmerte sich nicht darum und zuckte nicht einmal,als er den Stich spürte. Er saß da und genoss es, recht zu haben.
    »Ich habe einen Schrebergarten bekommen«, verkündete er. Der feige Trick aller Eheleute, Eröffnungen im Beisein von Freunden zu machen. Doch Martha ließ weder Überraschung noch Enttäuschung erkennen, sie erhob nur mit den anderen das Glas auf Kens löbliches neues Hobby. Er wurde nach Kosten und Örtlichkeit befragt, nach der Bodenbeschaffenheit und seinen Plänen für die Bepflanzung.
    »Brombeeren«, sagte Martha, noch ehe er antworten konnte. Sie lächelte ihm zärtlich zu.
    »Wie hast du das erraten?«
    »Als ich die Katalogbestellungen abgeschickt habe.« Sie hatte ihn gebeten, ihre Berechnungen zu überprüfen; nicht, dass sie nicht addieren konnte, aber da waren viele kleine Summen, die oft mit 99 Pence endeten, und überhaupt war das eine von Kens Aufgaben in ihrer Ehe. Er schrieb auch die Schecks aus, und das hatte er auch hier getan, nachdem er das eine oder andere zu der Bestellung hinzugefügt hatte. Dann hatte er sie an Martha zurückgegeben, denn sie verwaltete in ihrer Ehe die Briefmarken. »Und da fiel mir auf, dass du zwei Brombeersträucher bestellt hattest. Die Sorte hieß Loch Tay , wenn ich mich recht erinnere.«
    »Dein Namensgedächtnis ist erschreckend«, sagte er mit einem Blick auf seine Frau. »Erschreckend und fantastisch.«
    Es trat ein kurzes Schweigen ein, als wäre aus Versehen etwas Vertrauliches ausgeplaudert worden.
    »Weißt du, was wir in dem Schrebergarten anpflanzen könnten?«, fing Martha an.
    »Wieso denn wir , Bleichgesicht?«, erwiderte er, noch ehe sieweitersprechen konnte. Das war so ein Scherz unter Eheleuten, immer gewesen; doch das war diesen speziellen Freunden offenbar unbekannt, und sie wussten nicht, ob das der Überrest eines Streits war. Er wusste es übrigens auch nicht; das ging ihm inzwischen häufig so.
    Als das Schweigen andauerte, sagte Marion in die Stille hinein: »Ich sag’s nicht gern, aber die Mücken stechen.« Sie hatte eine Hand am Fußknöchel.
    »Unsere Freunde mögen unseren Garten nicht!«, rief Ken in einem Ton, der allen versichern sollte, dass hier wohl kaum ein Streit in der Luft lag. Und doch hatte dieser Ton etwas Hysterisches an sich, das die Gäste als Signal verstanden, sich unter Eheleuten verstohlene Blicke zuzuwerfen, ein breit gefächertes Angebot von Tee und Kaffee abzulehnen und ihre Dankesworte zum Abschied vorzubereiten.
    Später rief er aus dem Badezimmer: »Haben wir noch was von dieser Kortisonsalbe?«
    »Bist du gestochen worden?«
    Er zeigte auf seinen Hals.
    »Mein Gott, Ken, da sind ja fünf Stiche. Hast du nichts gemerkt?«
    »Ja, aber ich wollte nichts sagen. Ich wollte nicht, dass jemand deinen Garten kritisiert.«
    »Du Ärmster. Märtyrer.

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